piwik no script img

Kein Gemeinde-Druckraum!

■ Wie geht das Domprediger-Paar Flügger mit dem Drogenproblem in der Gemeinde um?

Kein Gemeinde-Druckraum!

Wie geht das Domprediger-Paar Flügger mit dem Drogenproblem in der Gemeinde um?

Seit dem Sommer predigen und seelsorgen die neuen Domprediger Pastorin Babette Flügger und ihr Ehemann Pastor Henner Flügger im St. Petri Dom. Ihre Gemeinde erstreckt sich vom Dom über den Ostertorsteinweg in Richtung Weser. Über den problematischen Bereich der Drogensüchtigen in ihrem Einzugsgebiet sprach die taz mit den Flüggers.

taz: Das Sielwall-Eck gehört zu Ihrer Gemeinde. Wie gehen Sie mit dem Drogenproblem um?

Pastorin Babette Flügger: Wir sind nicht primär als Drogenpastoren angetreten, weil wir das auch gar nicht leisten können. Wir sind keine ausgebildeten Sozialpädagogen, Streetworker, sondern Pastoren. Aber wenn wir dort arbeiten und leben, ist es natürlich klar, daß wir dieses Problem nicht ausgrenzen können und auch nicht ausgrenzen wollen.

Pastor Henner Flügger: Vielleicht muß man ergänzend dazu sagen, daß das Sielwall-Eck im Moment ja nur ein kleiner Ausschnitt des Problems ist, das diskutiert wird. Also die Leute am Sielwall, das ist ja wirklich nur die Spitze des Eisberges, so um 15 % , wenn überhaupt. So schlimm wie es ist, man muß sehr viel früher ansetzen, um zu überlegen, wie man die Probleme vermeiden kann, und nicht immer erst kommen, wenn das Kind dann schon in den Brunnen gefallen ist. Natürlich muß man sich überlegen, wie man der Verwahrlosung der Leute da entgegentreten kann. Frau Gaertner hat die Schwierigkeit letztens in der Bremer Kirchenzeitung so zusammengefaßt: Wenn die Kirche ihre Gemeindehäuser öffnen würde, dann würden sie sehr schnell nicht mehr Herr der Lage sein, da haben wir nämlich in den Gemeindehäusern die Druckräume, die keiner haben will.

Babette Flügger: Die andere Gemeinde, die hätten wir dann nicht mehr. Die Eltern würden ihre Kinder nicht mehr hinschicken. und selber nicht unbedingt hinkommen. Uns ist dies aber ein Anliegen.

Glauben Sie, daß man zum Beispiel einen Nachmittag als Treffpunkt für Drogenabhängige einrichten könnte?

Henner Flügger: So ein Schritt muß sehr, sehr genau überlegt werden, und mit den staatlichen Stellen sowie den Initiativen im Viertel abgesprochen werden. Da sind wir noch nicht soweit.

Wenden sich einzelne Drogenabhängige an Sie als Pastorin?

Babette Flügger: Gelegentlich mal, und sie bekommen dann eine Tasse heißen Kaffee oder Tee und je nachdem, nehmen wir uns auch etwas Zeit für sie.

Die Drogenabhängigen sind sicher für viele Gemeinde-Mitglieder ein Problem, können sie da helfend eingreifen?

Henner Flügger: Ein Thema ist es immer wieder, und wie die Leute damit umgehen, ist ganz unterschiedlich. Es ist wichtig, daß man sich bewußt macht, daß das nicht nur ein Problem des Viertels ist. Hier tritt es nur offen zu Tage.

Babette Flügger: Da sind Gespräche in Gange, das wird sicher bei der Drogenwoche im Frühjahr seinen Ausdruck finden.

Henner Flügger: Insgesamt ist das Problem Sucht ein Thema, das in der Kirche behandelt werden muß. Das kann man in Kreisen machen oder in Predigten, da wo sich das anbietet. Es hängt ja ganz eng zusammen mit der Frage: was erwarte ich von meinem Leben. Sucht ist für mich auch immer so eine Art von Flucht.

Gibt es einen Arbeitskreis von Pastoren zu diesem Thema Sucht?

Henner Flügger: Es gab einen Drogenbeauftrageten, im Moment ist der Anstoß von den Initiativen im Viertel ausgegangen, die die entsprechenden Pastoren eingeladen haben, und wo wir gemeinsam überlegt haben, wo Kooperation möglich wäre.

Ich habe gehört, daß sie ein neues Gemeindehaus im Viertel errichten wollen?

Henner Flügger: Hier findet wenig Leben statt. Außer, daß man einkauft. Leben tut man eigentlich dann im Viertel, jedenfalls unsere Gemeinde.

Babette Flügger: Dort wohnt einfach unsere Gemeinde. Und das sind alle. Vivianne Agena

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen