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Töpfer läßt Plutonium nach Schottland fliegen

■ Erster (bekanntgewordener) Plutonium-Lufttransport Frankfurt/Schottland/ Gleichzeitig Atommüllfässer per Bahn zum Zwischenlager Gorleben unterwegs

Frankfurt/Main (taz) – Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) habe ein „noch nie dagewesenes menschliches, ökologisches und wirtschaftliches Desaster unvorstellbaren Ausmaßes“ in Kauf genommen, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Klaus Kübler, gestern in Bonn. Der Sozialdemokrat warf Töpfer und der gesamten Bundesregierung vor, mit der Genehmigung für den Lufttransport von 3,5 Kilogramm Plutonium vom Frankfurter Rhein-Main-Flughafen nach Schottland ein unvertretbares Risiko eingegangen zu sein: „Vor allem die Menschen im dichtbesiedelten Ballungsraum Rhein-Main sind bei einem Absturz unmittelbar bedroht. Bei einer möglichen Plutonium-Verseuchung müßte eine ganze Region auf unabsehbare Zeit evakuiert werden.“

Daß der geheimgehaltene Plutoniumflug am Dienstag abend überhaupt bekannt wurde, ist einer Bemerkung des hessischen Umweltministers Joschka Fischer im Landtag geschuldet. Der Grüne, der Bundesumweltminister Töpfer bereits Mitte November vor der Aufnahme von Plutoniumflügen Frankfurt–Dounreay (Schottland) gewarnt hatte, gab – erst nach der Lufttransportaktion – im hessischen Landtag bekannt, daß unter dem Protektorat des Bundesamtes für Strahlenschutz Plutonium aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe via Rhein-Main nach Dounreay ausgeflogen worden ist.

Auf Nachfrage sagte Fischers Pressesprecherin Renate Gunzenhausen gestern, daß die von einem Atom- oder Plutoniumtransport betroffenen Bundesländer vom Bundesamt für Strahlenschutz zwar vorab in Kenntnis gesetzt würden – „doch diese Informationen unterliegen strengsten Geheimhaltungsvorschriften“. Noch am Dienstag abend verurteilte der hessische Landtag mit den Stimmen von SPD und Grünen den Töpferschen Plutonium-Flug.

Gunzenhauser wies darauf hin, daß Fischer bereits in einer Erklärung vom 16. November „schwerste Sicherheitsbedenken“ gegen Plutonium-Flüge angemeldet habe. Vor Monatsfrist ging es um die im Hanauer Plutonium-Bunker lagernden 123 MOX-Brennelemente für den nie in Betrieb gegangenen Schnellen Brüter in Kalkar. Die plutoniumhaltigen Brennstäbe will die Eigentümerin, eine RWE-Tochtergesellschaft, mit Billigung Töpfers gleichfalls per Luftfracht nach Dounreay schaffen lassen. Möglicherweise über Frankreich wurden in Belgien lagernde ungebrauchte Brüterbrennelemente der RWE-Tochter bereits dorthin ausgeflogen (taz vom 26.11.92). Nach Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz wurde das per LKW von Karlsruhe zum Rhein-Main-Flughafen gebrachte Plutonium in eine zivile Transportmaschine verladen. Die Maschine sei auch über eine der zivil genutzten Rollbahnen gestartet.

Gleichfalls unter der Schirmherrschaft des Bundesamtes für Strahlenschutz rollte in der Nacht zum Mittwoch ein Atommülltransport per Schiene durch die Republik – 30 weitere sollen folgen. Es handelt sich dabei um strahlende Abfälle ungeklärter Herkunft, die aus dem skandalumwitterten Atomzentrum Mol in Belgien stammen, wie das niedersächsische Umweltministerium miteilte. Die Behälter mit dem Atommüll sollen in Gorleben „zwischengelagert“ werden. Umweltminister Töpfer hatte das Land Niedersachsen bereits im Sommer 1991 per Weisung verpflichtet, die Einlagerung im Atommüll-Zwischenlager Gorleben sicherzustellen. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigte eine Blockade des Atommülltransports im Wendland an. Klaus-Peter Klingelschmitt

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