Durchs Dröhnland
: Leisetreter

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Metal ist entgegen allen Klischees, die die Szene gern über sich selbst verbreitet, eine der friedlichsten Angelegenheiten, und eigentlich paßt nichts besser in die Weihnachtszeit. So kommt das beste Paket des Jahres gerade recht und bietet zudem eine unglaublich kompakte Möglichkeit zum Überblick über das an den Grenzen intensiv ausfasernde Genre. Headliner sind Prong, bekannt für zähe und schwere Sounds. Die New Yorker sind – kommend vom Speedmetal – inzwischen eher Hard Rock, ohne allerdings dessen bekannte musikalischen Gemeinplätze aus den 70ern zu wiederholen. Corrosion of Conformity sind der vielleicht gelungenste Versuch, Hardcore und Metal zu verbinden. Der Crossover, an dem sich in den letzten Jahren so viele versuchten, ist bei ihnen am homogensten und lappt zu keiner Zeit zu offensichtlich zu einer Seite. Trotzdem verlieren beide Einflüsse nichts von ihrer ursprünglichen Wucht. Politisch zudem der moralische Headliner des Abends. Dann kommen gleich Mordred, die sich an der Verquickung schwarzer Elemente mit dem Metal versuchen. Auf einem solide stampfenden Funkgerüst wird ausgiebiges Scratching integriert. Trotz des Funk sind die Red Hot Chili Peppers aber noch weit. Die Band aus San Francisco ist trotz aller Experimente Metal. Neu zu entdecken gibt es dagegen Skrew aus Austin in Texas. Sie selbst meinen, den Soundtrack für die jetzt beginnende Ära des „Cyber Punk“ abliefern zu müssen. Während das Schlagwort „Virtuelle Realität“ inzwischen wieder aus den Medien verschwunden ist, bemühen sich Skrew darum, modern klingende technische Sounds zwischen ihre massiven Gitarren zu stellen, was eine hübsche, bisher selten gehörte Diskrepanz ergibt. Diesen Industrial-Ansatz kannte man bisher eigentlich nur vom Tanzboden. Dazu kommen dann noch Waltari aus Finnland, die die hektisch hoppelnde Variante bevorzugen und besser mal ein Valium eingeworfen hätten.

Am 18.12., 20 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108-114.

Mask For waren ursprünglich das, was man ein Projekt nennt. Also ein loserer Verbund, als dies Bands gemeinhin sind. Fixpunkt war seit 1984 Uwe Bastiansen, hauptberuflich Gitarrist bei Abwärts. Mitunter sammelte er Bekannte vornehmlich aus der Hamburger Szene um sich, um als Mask For zu firmieren. Zuletzt trat er zusammen mit dem Berliner Müllwerker FM Einheit in der geschlossenen Station der Alsterdorfer Anstalten auf, die entstandene Live-Platte wurde unter dem Titel „Station 17“ veröffentlicht. Seitdem haben Mask For wieder eine relativ stabile Formation mit Musikern von Die Seuche, Destination Zero, Abwärts und den schwedischen Leather Nun gefunden. Das Ergebnis ist das erwartete: solider Punkrock mit leichtem Hang zur Düsternis, der in seinen besten Momenten wiederaufleben läßt, was uns in den ausgehenden 70ern nicht grundlos so beschäftigt hat.

Am 19.12.,22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6

Wer sich den Flug über Weihnachten in die im Moment so beliebte Dominikanische Republik nicht leisten kann oder will, könnte versuchen, das schmerzlich vermißte Sommerfeeling bei D'Jackson Suriam neu zu entfachen. Der auf der Karibikinsel Martinique geborene Suriam lebt seit einem Jahr in Berlin und bringt nun seine erste Platte heraus. Zuvor vertrieb er sich in Paris die Zeit, wo er ganz offensichtlich begierig die musikalischen Einflüsse der ethnischen Minderheiten studierte. In seinem Karibik-Pop finden sich allerlei afrikanische, teilweise arabische, aber auch Rock-Elemente. Dabei kommt er nie in Versuchung, sich den Radio-Formaten so sehr anzunähern, daß seine Musik im Weltmusik-Brei versinkt.

Am 19.12. um 20 Uhr im Tränenpalast, Reichstagufer 17, S-Bhf. Friedrichstraße, Mitte

Seit es Nick Cave vorzieht, sich in Brasilien völlig unpassend seine düsteren Gedanken zu machen, müssen wir hier in Bruchberlin mit seinem kleinen Bruder Vorlieb nehmen. Das ist zumindest das Etikett, mit dem Hugo Race als ehemaliger Gitarrist des großen Nick zu kämpfen hat. Dabei ging er wesentlich puristischer und leiser mit demselben Vermächtnis um als sein australischer Landsmann. Auf seiner letzten Platte hat er sich gar den Rockschemata zugewendet, auch wenn seine Herangehensweise meistens doch noch sehr bluesig ist. Die Strukturen mögen wechseln, Hugo Race selbst behaupten, daß seine Gedanken eine hellere Farbe als früher hätten, er ist und bleibt einer der hinterhältigsten Leisetreter. Während andere durch Lautstärke oder Mißtöne das starre Dreier- Schema zu zerpflücken und zu erweitern suchen, setzt Race in den stillen Momenten eine überaus künstliche Gefühligkeit so ein, daß der ehrwürdige Blues eine völlig neue Dimension seiner urbanen Variante erhält. Man kann ihm halt nicht vorwerfen, daß er konserviert, aber so begibt er sich auch nicht in Gefahr, Raubbau zu betreiben.

Mit Crashland am 20.12. um 22 Uhr auf der Insel

Wer wegen der Ausführungen weiter oben befürchtet, seine liebste Kneipenbeschallung sei entschwunden, muß nicht in Panik verfallen. Die Pogues gibt es noch, aber die wandelnde Zahnlücke McGowan ist eben nicht mehr mit von der Partie. Nach letzten Informationen soll der Ex-Clash, Gelegenheitsschauspieler und Dauer- Kämpfer Joe Strummer nun ganz offiziell dessen Platz eingenommen haben, aber es schwirren auch vermehrt Gerüchte von einer Clash-Reunion unter buntgefärbten strähnigen Feudeln. So sehr ich sowohl die Pogues als auch Strummer schätze, so unmöglich und überflüssig finde ich die Kombination. Dann doch lieber ins Kino und „Straight To Hell“ sehen.

Am 21.12. um 20 Uhr in der Eissporthalle, Jafféstraße, Charlottenburg Thomas Winkler