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„Eine Regelung, die uns keine Chance mehr läßt“

■ MedizinstudentInnen protestieren gegen die Zerstörung ihrer Zukunft

Berlin. Die derzeit an den Universitäten studierende Medizinergeneration ist akut von Arbeitslosigkeit bedroht. Die eigene Praxis und auch der Zugang zur fachärztlichen Ausbildung werden sich bereits ab März kommenden Jahres erheblich erschweren. Dann nämlich tritt das Gesundheitsstrukturgesetz in Kraft, das letzte Woche im Bundestag beschlossen wurde. Das Gesetz will mit verschiedenen Maßnahmen die Kosten des Gesundheitssystems dämpfen – eine davon ist das Einfrieren der Zahl der niedergelassenen Ärzte auf dem Stand von 1990.

„Das ist eine Regelung, die uns keine Chance mehr läßt“, schätzt Michael Tiemann, Medizinstudent im achten Semester am Uni-Klinimum Steglitz. Die Zukunft seines Jahrganges und auch der nachfolgenden sieht düster aus, was das angestrebte Berufsziel angeht. Im Moment gibt es einen Run der in der Ausbildung zum Facharzt befindlichen Jungmediziner auf die noch freien Kontingente für Niederlassungen. Doch dann dürfte der Weg zur eigenen Praxis erst mal auf Jahre hinaus versperrt sein.

Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hat ausgerechnet, daß sich in Berlin derzeit noch 366 Ärzte niederlassen könnten. Diese Zahl ergibt sich, wenn man den im Gesundheitsstrukturgesetz neu angelegten Normwert anwendet. Er besagt, daß die Zahl der niedergelassenen Ärzte zum Stand vom 31.12.90 künftig nur um zehn Prozent überschritten werden darf. Im Berliner Landesdurchschnitt wären danach nur noch bei den Allgemeinärzten, den Chirurgen und im Bereich der Kindermedizin Kapazitäten frei.

Die Situation in den jeweiligen Bezirken kann sich davon geringfügig unterscheiden. Die Medizin- Studierenden sehen sich als die Verlierer des sonst so bevorzugten Medizinerstandes. „Die StudentInnen sind im Klinikum das Letzte“, schimpft Annette Rode vom Universitätskrankenhaus in Steglitz. An erster Stelle stünde für die Hochschullehrer die medizinische Forschung, in die zwei Drittel des gesamten Forschungsetats der Freien Universität fließen. Danach kämen die Patienten und schließlich „die lästige Aufgabe, die StudentInnen zu betreuen“.

Von 1960 bis 1991 sind die Ausgaben im Gesundheitswesen von 8,9 Milliarden auf 150,9 Milliarden Mark gestiegen. Das ist eine Zuwachsrate, die doppelt so hoch ist wie die des Bruttosozialproduktes, das um 850 Prozent kletterte. Die Regelbeiträge für die Krankenversicherung sind bei 16,8 Prozent von Lohn und Gehalt angelangt. Die Studierenden sagen, sie seien von der Notwendigkeit der Kostendämpfung im Gesundheitswesen überzeugt. Aber sie halten die Einschränkung der Ärztezahl für ein verfehltes Mittel und halten andere Vorschläge dagegen (siehe nebenstehenden Kasten).

Die Probleme beginnen für die JungmedizinerInnen nicht erst bei der Niederlassung. Die Sperre schafft einen Rückstau, der bald in die Krankenhäuser hineinreicht. Dort werden die Ausbildungsplätze für Fachärzte nach einer kurzfristigen Entlastung bald belegt sein. „Deswegen ist es total schwierig für uns, nachzurücken“, sagt die Studentin Katja Klugewitz. Das bedeute, daß die Zulassungssperre bereits ab nächstem Jahr wirksam werde.

Nach Aussagen des Gesundheitsministers Horst Seehofer habe sie erst ab 1999 wirken sollen. Die Zeit bis dahin wäre eine Übergangsregelung, zitiert ihn Michael Tiemann, die allen Nachwuchsmedizinern eine Chance auf Berufsausübung und Praxis belasse. Katja Klugewitz hält das für Quatsch: „Wir haben keine Chance, uns zu bewähren.“ cif

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