: Todesursache: Streß und Resignation
■ Hamburger Studie: Heroinabhängige sterben aus Unkenntnis über den Reinheitsgehalt des Stoffs / Tabletten- und Alkoholkonsum und die miserable soziale Lage sind weiter Todesursachen...
sterben aus Unkenntnis über den Reinheitsgehalt des Stoffs / Tabletten- und Alkoholkonsum und die miserable soziale Lage sind weitere Todesursachen / Viele sterben nach einer Abstinenzphase
Den 128. Drogentoten diesen Jahres, einen 23jährigen Mann, fand die Polizei gestern in St.Georg. Hamburgs Heroinabhängige - sie sterben an der Unkenntnis über den Reinheitsgehalt des Stoffs, nach Entzug, Therapie oder Haftstrafen, am Beikonsum von Tabletten oder Alkohol und ihrer miserablen sozialen Situation. Diese Faktoren bildeten für drei Viertel der Hamburger Junkies eine Mischung mit tödlichem Ausgang.
Ergebnisse einer Studie, die drei Hamburger WissenschaftlerInnen im Auftrag des Bundesgesundheitsminsteriums zusammentrugen. Eine Studie, die das Ministerium bislang
1noch unter Verschluß hält.
Erschreckende Zusammenhänge taten sich dem Rechtsmediziner Klaus Püschel (Universität Hamburg), Ursula Castrup und Frank Teschke bei der Untersuchung von 187 Todesfällen in Hamburg (von Juli ‘91 bis Juni ‘92) auf: So hatte im April die Zerschlagung eines türkisch-deutschen Drogenhändlerrings und die Beschlagnahme von zehn Kilogramm Heroin durch die Hamburger Kripo kurze Zeit später fatale Konsequenzen. Der Stoff wurde auf dem Schwarzmarkt knapp: Der übliche Reinheitsgehalt (26 Prozent) rutschte zunächst auf nur 16 Prozent ab. Schon im Juni
1kehrte sich dieser Prozeß wieder um - von vielen Junkies allerdings unbemerkt. Die Folge: In diesem Monat starben 16 Abhängige an einer Überdosierung des „hochprozentigen“ Stoffs. Im Mai waren es nur fünf (im April vier) gewesen.
Bedeutende Faktoren, die Abhängige häufig in den Tod treiben: Resignation, Einsamkeit und Streß — Folgen der Lebensweise, die mit dem Konsum der illegalen Droge einhergehen. Die Ausweglosigkeit ihrer Drogenkarriere, der Streß, sich das Heroin im Gebüsch zu spritzen, all dies führt nach den Erkenntnissen der WissenschaftlerInnen zu absichtlichen oder versehentlichen Überdosierungen. Obdachlosigkeit oder der Verlust des Jobs beschleunigen die Krisen auffällig häufig. Rund 15 Prozent der untersuchten Todesfälle waren geplant: Die Forscher stuften sie als Suizide ein.
Auffallend auch, wie viele Junkies nach einer Abstinenzphase am „goldenen Schuß“ sterben: Acht der untersuchten Fälle nach einem Entzug, zwölf nach einer Therapie, weitere zwölf nach einem Aufenthalt im Knast — alle starben innerhalb des ersten Monats, viele bereits sogar in der ersten Woche.
Auch wenn die Hamburger Statistik in diesem Jahr mit 128 Drogentoten immer noch 128 Tote zuviel zählt, ist der Trend hier dennoch gegenläufig. Während die Polizei für das erste Halbjahr im gesamten Bundesgebiet einen weiteren Anstieg der Drogenopfer um 17 Prozent verzeichnete, sank die Zahl in Hamburg um rund vier Prozent. Im letzten Jahr starben hier 168 Menschen an der Folgen ihrer Heroinsucht. Sannah Koch
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