Portrait: Viel Ehre in der Keilhose
■ Der unbeliebte Bradl Bubi und sein beliebtes Wunderwachs
„Ja mei, des is ja scho so lang aus...“ Ein bißchen Wehmut, wenn er von früher erzählt. Viel ist ihm nicht geblieben aus seinen Schispringer-Tagen. Ein paar Erinnerungen, eine handvoll Plaketten und Silbernadeln, zwei Dutzend vergilbte Fotografien. Der Schönste sei aber nicht der Erfolg, sondern „dös G'fui im Buch drin, wennst springst. Do denkt ma ned, do g'spürt ma's.“ Irgendwann hat der Rudi den Ehrenpreis bei den österreichischen Polizeimeisterschaften gewonnen. 48 Meter sei er gehupft - für damalige Umstände eine stattliche Weite. Und 1928, beim Salzkammergut-Springen in St. Gilgen, segelten die Goiserer - Pilz, Kackl & Mathe - allen Konkurrenten davon.
Aber den größten Triumph seines Springerlebens, erzählt Rudi Mathe augenzwinkernd, den habe er bei einem Länderspringen in Klagenfurt gefeiert. Es kam so: Dem legendären Sepp „Bubi“ Bradl platzte beim Training die Keilhose. Weil der Star nur eine einzige besaß und ein furchtbar eitler Mensch war, wandte er sich in seiner großen Not an den Schneidermeister Rudi. Der überlegte nicht lange und sagte: „Guat, i flick' dir de Hosn, und du wachselst meine Ski.“ Sepp hatte nämlich die Geheimformel für den phänomenalen Bradl-Lack. Dieses Wachs war noch besser als „Tento 86“; es machte die Brettl so schnell wie eine Mondrakete.
Gesagt, getan: Rudi reparierte die Hose, Bubi präparierte die Schier. Und als es anderstags über den Bakken ging, da mischte das pfiffige Schneiderlein den hochnäsigen Sportskameraden auf. Bradl sprang 58 Meter, Mathe landete bei 58,5 Metern! Den Tag wird Rudi nie vergessen. Ausgerechnet er, der „Rodelkönig“ (weil er oft in den Schnee griff), hat den unschlagbaren Weitenjäger bezwungen. Sappradi, dös war wos!“
Wenn der Rudi so erzählt, merkt man gleich, daß er von Bradl nicht besonders viel hielt. Der Ehrgeiz habe ihn zerfressen, er sei arrogant gewesen, egoistisch und streitsüchtig. „Wissen's, die besten Sportler sind menschlich oft die größten Flaschen.“ Und die größten Opportunisten: Als Österreich 1938 heim ins Reich geholt wurde, engagierte sich Sepp Bradl für die Nazis. „Er war ein freudiger Springer des Reiches.“ Weil er vor 1945 so freudig war, durfte er 1948 bei den Olympischen Spielen nicht mitspringen.
Der Rudi, Jahrgang 1916, hat nie zu den ganz Großen gehört, aber er hat sie gekannt, die ganz Großen. Den Norweger Raidar Anderson zum Beispiel, ein fescher sportsman, der, der stets einen schneeweißen Selbstbinder trug. Der Birger Ruud, den König der Springer. „So elegant wia der is nie mehr einer in da Luft g'legn. Guat, da Innauer Toni vielleicht.“ Und Toni Nieminen? „Der V-Stil gfallt mir gar ned. Dös is einfach zu riskant.“
Das moderne Skispringen begeistert Rudi Mathe nicht mehr. „Ziemlich selbstmörderisch, der ganze Zirkus, und bloß no Gschäft. Na ja, Propaganda hob i aa gmacht.“ Wie bitte? Wir dachten, wenigstens der Rudi sei sauber geblieben. Naa, naa, ned wos Sie meinen. Es war Keilhosen- Propaganda.“ Auf neuösterreichisch: Tailleur Mathe hatte einen PR-contract. Was gab's dafür? „Die Ehr' - und a Keilhosn...“ Bartholomäus Grill
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