: „Islam und die Scharia sind die Ziele der Partei“
■ Die „Ittihad“-Partei in Somalia wittert Aufwind im Schatten der „Invasion“
Merca (wps) – Im Hafen von Merca ist es heiß und schwül. Schwitzend klettern Arbeiter von einem Schiff des Roten Kreuzes hinunter, beladen mit Reissäcken und Kanistern voller Speiseöl. Soldaten mit Kalaschnikows bewachen sie. Manche haben rot-weiße Palästinensertücher um den Kopf gewickelt.
Die Wachleute gehören zur Islamischen Einheitspartei („Ittihad“), stärkste islamistische Gruppe Somalias. In der Hafenstadt am Indischen Ozean, nur wenig südlich von Mogadischu gelegen, übernahmen sie dieses Jahr die Kontrolle. Nach der Überlieferung ist Merca die erste somalische Stadt, die islamisiert wurde. Die Islamisten haben sich hier rasch Beliebtheit verschafft. Mit einem strikten Regime haben sie Plünderungen von Hilfsgütern verhindert.
Zwar werden Lastwagen oft ausgeraubt, wenn sie die Hafengegend verlassen haben. Aber innerhalb des Hafens hat „Ittihad“ die Kontrolle. „Sie sind gut für die Sicherheit“, sagt Jama Ali Kahin vom somalischen Roten Kreuz. „Die Leute mögen sie.“
„Ittihad“-Stützpunkte gibt es in verschiedenen Landesteilen: in Merca, im Inland nahe dem Schnittpunkt der äthiopischen und kenianischen Grenze und im Nordosten, zwischen der Stadt Bosasso und der abgespaltenen „Republik Somaliland“. Überall hat die Partei die Scharia, die islamische Rechtsprechung, eingeführt. Vor sechs Wochen übernahm „Ittihad“ den Stadtteil Wadajir in Mogadischu. „Es war sehr erfolgreich“, sagt ein somalischer Journalist. „Keine Diebstähle, keine Probleme.“ Dieben würden jetzt die Hände abgehackt.
„Sie sind hart, aber diszipliniert“, sagt Rakiya Omaar, Menschenrechtlerin und bis vor kurzem Leitungsmitglied von „Africa Watch“, über „Ittihad“. „Die Menschen haben vom Krieg und von den Plünderungen die Nase voll, und niemand sonst stellt soziale Dienste zur Verfügung.“
Noch sind die Islamisten nur eine kleine Fraktion unter den vielen somalischen Gruppen. Aber in Gegenden ohne klare Autorität wollen sie beweisen, wie die Rückkehr zu klassischen islamischen Werten Somalia aus dem Kreislauf der Gewalt hinausführen kann. „Islam und die Scharia sind die Ziele der Partei“, sagt Sprecher Abdulkadr Abdalle.
Die US-Intervention wird von den Islamisten verurteilt. „Natürlich ist das eine Invasion“, sagt Abdalle. „Uns hat ja niemand gefragt. Seltsamerweise halfen die Amerikaner unter Reagan unserem Diktator Siad Barre. Aber als der Krieg nach Mogadischu kam, zogen sie ab. Jetzt kommen sie wieder, mit 30.000 Mann. Die meisten unserer Gewehre kommen aus den USA. Genau wie die meisten Geschosse, die Mogadischu zerstörten.“ Unter Siad Barre, so Abdalle, wurde der Islam im Namen einer westlichen, sozialistischen Modernisierung unterdrückt. „Nun merken wir, daß die gesamte Gesellschaft den Islam als Lebensform wünscht“, meint Abdalle. „Wir haben den Kapitalismus versucht, und er scheiterte. Wir haben den Kommunismus versucht, und er scheiterte. Der Westen interveniert, weil er sieht, daß in Somalia der Islam an die Macht kommt.“
Die „Ittihad“ sagt nicht, daß sie gegen die Amerikaner kämpfen wird. Sie gibt zu, daß die US-Landung bei den kriegsmüden SomalierInnen noch immer populär ist. Aber das – prophezeit sie – wird sich ändern. „Wir wollen unserem Volk Orientierung geben“, sagt Abdalle, und die umstehenden Kleriker nicken zustimmend. „Wenn die Gesellschaft bereit ist, werden wir vielleicht kämpfen.“ Keith Richburg
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