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Vorschlag

■ The Scottish Sex Pistols

Jetzt ist es also soweit. Nichts ist noch länger heilig, für jeden Topf findet sich der klapprigste Deckel, die Zeit steht still. Die Abba- oder Beatles-Revivalbands haben mich ja noch nicht gestört, das war nicht meine Kindheit, also hatte ich dazu auch kein intimes Verhältnis und konnte so auch nicht persönlich beleidigt sein. Daß es aber einmal so kommen mußte, war auch abzusehen. Zu lange ist es bereits her, 16 Jahre schon, als das Land von „sex&drugs&rock'n'roll“ nach der Renovierung wiedereröffnet wurde. Zuletzt tauchten endgültig zu den Akten gelegte und für die Ruhmeshalle vorgesehene Bands wie die Buzzcocks und die Lurkers ebenso dickleibig wie leibhaftig wieder auf und zerstörten auf das nachhaltigste ihre eigenen Legenden.

isher hatten sich die Revival-Bands Punk bisher verkniffen, aber was noch nicht war, wird jetzt. The Scottish Sex Pistols sahnen ab bei denen, die blöde genug sind, sich an die alten Zeiten mit Macht erinnern zu müssen. Die vier Kopisten geben sich lustig, nennen sich Steve McJones, Paul McCook, Johnny McRotten und Sid McVivious. Immerhin geht die Identifizierung nicht so weit, daß der Vicious-Darsteller demnächst Selbstmord begehen muß, aber vielleicht taucht ja noch Nancy McSpungen auf. Auf jeden Fall wird nachgespielt, was das Pistols-×uvre so hergibt, außer „Belsen Was A Gas“, was man ja auch verstehen mag. Was aber eben auch von einer gewissen Feigheit zeugt. Man sollte sich zweimal überlegen, ob man heute am Kottbusser Tor ein Markstück verteilt. Es wird unzweifelhaft in den Taschen der Scottish Sex Pistols landen. Just like Punk never happened. Immerhin das Vorprogramm entschädigt. Mit den Whiskey Priests spielen die würdigsten Nachfolger der Pogues, was die Zelebrierung britischen Liedguts betrifft. Stilecht mit Arbeitermützen, Anzügen, Westen und weißen Hemden entfesseln sie mit ihren Geigen eine solch schwitzende, suffselige Stimmung, daß man anschließend ruhig nach Hause gehen kann. Vorausgesetzt, man hat vorher schon Extreme Noise gesehen. Das Trio spielt den konsequentesten Jazz-Metal, verzichtet in seinen Stücken fast völlig auf Gesang und wirkt als echte Bewußtseinserweiterung. Was auf eine der anderen Bands leider nicht zutrifft. Thomas Winkler

Mit No Name und Permanent Disease: heute um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

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