■ Das Portrait
: Helen Joseph

Privatfoto

Sie hätte ihr ganzes Leben so verbringen können, die Britin Helen Joseph, die 1930, 26jährig, nach indischem Intermezzo nach Südafrika kam. Weitermachen als Mittelstandslady in Durban, teetrinkend, bridgespielend, blasiert bis zur Nasenspitze. Ihr Leben änderte sich sehr wohl, doch nicht im Rilkeschen Sinne des sofortigen Entschlusses. Sie sei sich erst im Laufe der Zeit der „Schuld, die ich als Weiße trage, bewußt“ geworden. Je mehr die während des Zweiten Weltkrieges im Gesundheitsdienst der Armee Arbeitende der südafrikanischen Realität ausgesetzt war, desdo mehr entfernte sie sich von Rasen und Bridge. Ihr anfänglich karitativer Habitus (typisch weiße Mittelstandsfrau, sagten schwarze Nationalisten!) wurde politisch, als sie 1951 Sekretärin in der Transvaal- Textilindustrie-Gewerkschaft wird. Die fragil wirkende Frau gerät in den Sog der großen Widerstandsaktionen der 50er Jahre, freundet sich mit den Mandelas, den Sisulus und vielen anderen an. Sie habe vom Leben gelernt, schreibt sie pathetisch und ein wenig hölzern- programmatisch in ihrer Biographie „Allein und doch nicht einsam“ (rororo aktuell 5928), und nicht aus Büchern. Noch als ich im September 1989 mit der damals 84jährigen, von einem Schlaganfall stark Geschwächten sprach, schwärmte sie vom großen Frauenmarsch 1956. Aus Protest gegen die neuen Paßgesetze hatten 20.000 Frauen mitten in Pretoria 30 Minuten lang geschwiegen: „Das war mein wunderschönstes Erlebnis.“ Prompt kam die Rache des Staates, der den „Verrat“ der Weißen nicht erträgt. Joseph wurde mit vielen anderen im berüchtigten Hochverratsprozeß angeklagt und erst 1961, nach fünf Jahren, freigesprochen. Doch die nächste Schikane stand ihr schon bevor. Als erste Südafrikanerin wurde sie unter Hausarrest gestellt, erlebte den „bürgerlichen Tod“. Ganze neun Jahre mußte sie sich täglich bei der Polizei melden, durfte keinen Besuch empfangen, konnte kaum arbeiten, wurde bespitzelt. Doch Helen Josephs zweites Leben hielt auch dem stand. Die Lady war zäh. Täglich sang sie das Lied aus „In 80 Tagen um die Welt“: In eighty days I shall be free and all my friends will come to tea.“

Seit dem Ende ihres Hausarrests 1971 lud sie immer am 25.12. ihre aus der Haft entlassenen Freunde zu einer Weihnachtsparty. Jedes Jahr wurden es mehr. 1990 konnte dann auch Freund Nelson „Weihnachten bei Helen“ im sommerlichen Johannesburg feiern. Am diesjährigen 25.12. ist Helen Joseph gestorben. Andrea Seibel