: Brandsätze in den Medien
■ Neue Studie: Die Pressesprache trägt zum Rassismus bei
München, Hamburg, Hannover, Berlin – wo immer die Menschen in Deutschland in diesen Tagen auf die Straße gehen, um ihr Licht gegen Rassismus und Fremdenhaß in die Abenddämmerung zu halten, stehen die Medien in der ersten Reihe. Sie stimmen die Bürger tagelang ein, mobilisieren für die gute Sache und sind nicht zuletzt ein bißchen stolz auf sich. Doch am Rande der Lichterketten, auch in Parlamenten oder mancher Talk-Show werden auch Vorwürfe laut. Kommt da plötzlich ein schlechtes Gewissen zum Vorschein?
Die Sprach- und Sozialforscherin Margret Jäger hat sich die Medien genauer angesehen. „Sie sind, auch wenn sie es nicht gerne hören, mitverantwortlich für die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Die Medien beschreiben nicht nur, was im Lande passiert. Vor allem formen sie die Gesellschaft“, sagt Jäger. Während eines Fachseminars der IG Medien in Lage legte sie kürzlich eine Untersuchung des von ihr mitgegründeten Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) vor. Die Interviews mit Lesern, Hörern und Zuschauern belegten: Zur Asyl- und Ausländerproblematik übernehmen die meisten Befragten die gängigsten Formulierungen der Massenmedien.
Asylbewerber seien in der Mediensprache mit Begriffen wie „Zustrom“, „Schwemme“, oder „Flut“ belegt worden, als brächen sie einer Naturkatastrophe gleich über Deutschland herein, kritisiert die Wissenschaftlerin. Der Ausspruch „Das Boot ist voll“, Wahlspruch der rechtsradikalen „Republikaner“, sei von renommierten Zeitschriften übernommen worden. Mit „Asylanten“-Serien, Berichten über angebliche Zwangseinweisungen von Flüchtlingen in „Wohnungen von Deutschen“ habe ein Boulevardblatt zunächst Angst geschürt und nach den Anschlägen gefragt: „Warum dieser Haß?“.
Das Wort „Asylant“, das in enger Verbindung zu „Scheinasylant“ stehe, habe sich als „eindeutig negativ besetztes Wort“ etabliert. Im Wortsinne seien die vielen asylsuchenden Flüchtlinge zunächst noch gar keine „Asylanten“. Selbst scheinbar unbedeutende Formulierungen hätten rassistische Ausgrenzungen in sich, sagt Ellen Wiedenroth von der „Initiative Schwarze Deutsche“. Die deutsche Alltagssprache stecke voller Rassismen. Afrikanische Völker seien „Stämme“, ihre Sprachen „Dialekte“. Einheimische seien „Eingeborene“.
Wie die Politik hätten auch die Medien die Probleme mit der Zuwanderung verschiedener Personengruppen grob und oft entstellend auf Schlagworte wie „Asylproblem“ und „Grundgesetzänderung“ verkürzt. Dies habe schnelle Lösungen vorgetäuscht, obgleich sie sich nicht einstellten, sagt Margret Jäger. Aus einer solchen breiten öffentlichen Darstellung ergebe sich geradezu folgerichtig der Beifall vieler Bürger für die Gewalttäter und ihre Brandsätze. Sowohl die Gewalt als auch der Beifall seien lange wegen des „ungelösten Asylproblems“ verständnisvoll kommentiert worden. Die Forderung Jägers an die Medien heißt knapp: „Sie müssen ihre Sprache ganz besonders überprüfen, weil Schlagzeilen und ,Brandsätze‘ in den Medien schnell zu realen Brandsätzen werden können.“ Andreas Möser, dpa
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