: Sergeant Pepper's Sägemehlgeschepper
■ „So machten die Beatles Sgt.Pepper“, heute um 14.55 Uhr im Ersten Programm
Man schreibt das Jahr 1966, die Beatles reiten seit drei Jahren auf den höchsten Wellenbergen der Popularität, und langsam rückt der Vietnamkrieg in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Im Trubel werden den Fab Four königliche Orden angehängt und zwei Grammies verliehen – die „Beatlemania“ wird ihnen unerträglich, ja sogar gefährlich. Als John Lennon verkündet, die Beatles seien berühmter als Jesus, verbrennen am 31.Juli 1966 US-Fans in Birmingham/Alabama rituell ihre Beatles- Platten. John, Paul, George und Ringo verlieren die Lust an ihren erfolgreichen Tourneen und geben am 29.August 1966 ihr letztes gemeinsames Konzert im Candlestick Park in San Francisco.
Nach der Veröffentlichung der Doppelsingle „Strawberry Fields Forever/Penny Lane“ warten die Medien ungeduldig auf Nachschub aus der Hit-Factory. Verfallslüstern unken sie, die Beatles seien ausgebrannt. „Wir dachten bloß, wartet's ab“, erinnert sich Paul McCartney in der britischen Fernsehdokumentation „So machten die Beatles Sgt.Pepper“. Das Album sollte stellvertretend für die von ihren Fans genervten Liverpooler auf die Reise gehen.
John, Paul, George und Ringo umrunden für dieses Experiment auf zeitweilig getrennten Wegen die Welt: Lennon versucht sich als Schauspieler in Richard Lesters Anti-Kriegs-Komödie „Wie ich den Krieg gewann“, McCartney schreibt Filmmusik in Kenia, Harrison fährt nach Indien, um bei Ravi Shankar das Sitarspiel zu lernen.
Im Juni 1967 treffen sie sich in den Abbey Road Studios in London wieder, um nach 700 Stunden des Experimentierens ihr neues Album fertigzustellen, das den deutlichen Sinnen- und Imagewandel der vom Erfolg kurierten Viererbande markiert: „Sgt.Pepper's Lonely Hearts Club Band“. Sie stricken ihre neuen musikalischen Erfahrungen in eine Schallplatte hinein, die zu einem farbenfrohen Fetisch der „Gegenkultur“ avanciert. Die Mittel waren für heutige Verhältnisse primitiv: nur vier Tonspuren standen damals in den Abbey Road Studios für innovative Spielereien zur Verfügung, wie sich Ringo Starr erinnert. „EMI hatte zwar die erste Tonanlage mit acht Spuren im englischen Königreich aufgestellt, war aber zu geizig, den passenden Stecker zu kaufen.“
„Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ entwickelte sich aus Phantasien von Jahrmarktsattraktionen und den dazugehörigen atmosphärischen Klangbildern. Den Text zu dem Song „The Benefit of Mr.Kite“ hatte John Lennon in seinem Hausflur auf einem alten Zirkusplakat entdeckt. „John wollte das Sägemehl in dem Song riechen“, schildert der damalige Produzent George Martin am Mischpult sitzend, man habe also kleine Versatzstücke von Orgelsounds vorwärts und rückwärts abgespielt und daraus eine scheppernde Melange von Klängen gemixt, die gemeinhin der Steigerung von Volksbelustigungen dient.
Die Musikredakteure Peter Urban und Jürgen Meier-Beer, die für den NDR die deutsche Fassung von „The Making of Sgt. Pepper“ herstellten, hielten sich mit erläuternden Texten angenehm zurück, während Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr und George Martin über ihre psychedelisch- musikalische Reise berichten, und Zeitzeugen wie Ravi Shankar und Phil Collins ihr Bild der Beatles malen. Die Dokumentation, nach deren Ausstrahlung im Großbritannien das Beatles-Album wieder in die Top-Ten kam, ist nicht nur eine musikalische Aufdröselung eines Musikproduktes von 1967. Sie vermittelt auch einen temporeichen Einblick in Zeiten, in denen sich man sich noch laut zu sagen traute, die Welt sei noch zu retten. Julia Kossmann
Da der Film in Zweikanalton ausgestrahlt wird, können Stereo-TV- BesitzerInnen auch die Originalfassung hören.
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