: Buszwang für Studis?
■ Projekt an der TU will Sinn des Semestertickets prüfen / CDU macht Diskussion von Untersuchungsergebnissen abhängig
Berlin. Der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) der Technischen Universität (TU) prüft, ob der Einsatz eines sogenannten Semestertickets auch in Berlin Sinn macht. Dieses Ticket ist im vergangenen Jahr in verschiedenen Universitätsstädten des Ruhrgebiets eingeführt worden, damit die Studierenden vom Auto auf die umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen.
Die für ein halbes Jahr gültige Fahrkarte kostet im Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) 84 Mark. 140.000 Studenten besitzen die Fahrberechtigung, die sie zwangsweise bei ihrer Einschreibung bezahlen müssen. In Essen benutzen nach einer ersten Umfrage 85 Prozent der Auszubildenden die Karte.
In Berlin sind für das laufende Wintersemester über 140.000 Studenten immatrikuliert – davon knapp 37.000 an der TU. Der dortige AStA will die Idee des Billigtickets fördern und hat deshalb eine Arbeitsgruppe Verkehr eingerichtet, die für das im April beginnende Sommersemester ein Projektseminar im Fachbereich Verkehrswesen vorbereitet. Das Seminar, an dem Studenten aller Fachrichtungen teilnehmen können, wird untersuchen, mit welchem Verkehrsmittel die Studierenden die TU erreichen und ob ein zwangsweises Semesterticket akzeptiert werden würde. Außerdem soll ermittelt werden, wieviel Parkplätze an und um die Uni durch Autos von Studenten besetzt werden und welche Vorteile eine gesteigerte Benutzung von Bus und Bahn für den Verkehr mit sich bringt.
Die guten Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet seien auf Berlin aber nicht ohne weiteres übertragbar, sagt der 21jährige Frank Neubeiser, der das Projektseminar mit vorbereitet. Im Revier sei vor der Einführung des Tickets nur etwa ein Zehntel der Studenten mit Bus und Bahn zur jeweiligen Uni gefahren. Wenn es in Berlin auch noch keine konkreten Zahlen gäbe, schätze er den Anteil hier aber auf das Vierfache. Im Gegensatz zu den Universitäten, die im Ruhrpott zum Teil auf der grünen Wiese gebaut worden seien, sei die TU an den öffentlichen Nahverkehr sehr gut angeschlossen. Aber je weniger Kommilitonen umsteigen würden, desto schlechter sei die Verhandlungsposition gegenüber den Verkehrsbetrieben. Dennoch seien die Auszubildenden eine interessante Zielgruppe, weil sie die öffentlichen Verkehrsmittel weniger zu den Spitzenbelastungen im Berufsverkehr, sondern gleichmäßig über den Tag verteilt in Anspruch nähmen und so zu einer besseren Ausnutzung des Nahverkehrs beitragen könnten.
Bei der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) stößt die Idee des Semestertickets auf wenig Gegenliebe. Unternehmenssprecher Wolfgang Göbel: „Wir haben ein Defizit von 1,4 Milliarden Mark, das wir abbauen müssen.“ Die Einführung der günstigen Umweltkarte (monatlich 74 Mark im Westteil, 60 Mark im Ostteil) führe zu einem jährlichen Verlust von 200 Millionen Mark. Über die Tarife sowie den Ausgleich der Verluste entscheide aber das Abgeordnetenhaus. Sollte das Parlament die Einführung eines Semestertickets beschließen, müßten die Abgeordneten auch überlegen, wie mögliche zusätzliche Verluste finanziert werden sollen.
Die CDU hält das Angebot für Studenten für unnötig. Das „Azubi-Ticket“ (West: 42 Mark, Ost: 32 Mark) sei ein günstiges Angebot, sagt Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion. Eine weitere Verbilligung werde nicht zu einer erhöhten Benutzung der BVG beitragen. Außerdem sei die CDU gegen Tickets, die Studenten zwangsweise nehmen müßten. Sollte das Projektseminar der TU allerdings zu dem Ergebnis kommen, daß ein Semesterticket zu einer deutlichen Entlastung der Verkehrssituation führe, müsse man sich über dieses Ticket neu auseinandersetzen.
Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, wollte am gestrigen Sonntag gegenüber der taz keine Stellungnahme abgeben.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der zusammen mit Umweltverbänden die Einführung des Tickets im Ruhrgebiet unterstützte, befürwortet ein Berliner Ticket ebenfalls. Es müsse für den für 1994 mit dem Umland geplanten Regionalverbund gelten, sagte Florian Heckhausen. Allerdings müßte das Gerichtsurteil über die Klage von Studenten abgewartet werden, die sich gegen die zwangsweise Bezahlung des Tickets richtet. Dirk Wildt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen