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Die Einsamkeit aufbrechen

■ Bundesweit einzigartige Einrichtung im Lankwitzer "Wintergarten" bringt Hilfe für verwirrte alte Menschen / Selbständigkeit muß wieder neu gelernt werden

Berlin. „Die Menschen werden heutzutage zwar immer älter, aber nur die wenigsten bleiben bis ins hohe Alter körperlich und vor allem geistig fit“, sagt Sabine Bahn. Die Sozialpädagogin weiß, wovon sie spricht. Seit gut eineinhalb Jahren leitet sie eine Tagesstätte, in der alte und verwirrte Menschen mit Hilfe einer besonderen Therapie befähigt werden sollen, trotz unterschiedlicher Krankheiten auch allein in ihrer Wohnung zurechtzukommen.

Die Gerontopsychiatrische Tagesstätte „Wintergarten“ im Bezirk Lankwitz ist in dieser Form bisher die einzige Einrichtung für verwirrte alte Menschen in der Bundesrepublik. Jeden Morgen, Punkt neun Uhr, sitzen zehn, manchmal auch zwölf alte Menschen am Frühstückstisch in einer schönen Villa. Für die Anfahrt sorgt ein Fahrdienst, der sie morgens von ihren Wohnungen abholt.

Bis etwa 14 Uhr werden sie den Tag im „Wintergarten“ verbringen. Nach dem Frühstück gibt es verschiedene Angebote: Gymnastik, Singen, Basteln, aber auch Zeitunglesen und Mittagessen kochen. „Wir orientieren uns soweit wie möglich an den Alltagsgewohnheiten unserer Patienten, damit sie nicht etwa das Gefühl haben, hier in einer völlig fremden Welt zu leben“, unterstreicht Frau Bahn. Sie und drei weitere Mitarbeiterinnen – eine Krankenschwester, eine Altenpflegerin und eine Hauswirtschafterin – geben den alten Menschen, die zumeist allein in ihren Wohnungen leben, das Gefühl, trotz Krankheit und Behinderung noch gebraucht zu werden.

Die Betroffenen leiden an altersbedingten Krankheiten wie „Alzheimer“, Depressionen, Psychosen, Desorientierung. „Viele wußten nicht mehr, wo sie wohnen, geisterten nachts herum oder waren jahrelang nicht mehr auf der Straße, ehe sie zu uns kamen“, berichtet Frau Bahn. Die Einsamkeit, mit der viele leben müssen, verstärkte die Symptome in der Regel noch. Andere würden von Angehörigen oder Mitarbeiterinnen der Diakoniestation zwar versorgt, aber oft in keiner Weise zur Selbständigkeit angeleitet. Folge sei die Einweisung in eine geschlossene Anstalt oder ein Heim, was durch das Angebot des „Wintergartens“ manchem alten Menschen erspart geblieben ist.

Entlastung bedeutet der Aufenthalt in der Tagesstätte auch für die Angehörigen der Patienten. Tagsüber wissen sie ihre alten Eltern oder den Großvater bestmöglich versorgt. Hinzu kommt, daß sich schon bald nach dem regelmäßigen Besuch der Tagesstätte für nicht wenige der alten Menschen die Situation selbst deutlich verbessert: „Sie entscheiden wieder selbständig, können mit ihren Ängsten besser umgehen, lernen, sich in der Gruppe zu behaupten“, sagt Frau Bahn.

Neben den Angeboten im Haus stehen regelmäßig Ausflüge, Spaziergänge oder Kaufhausbesuche auf dem Programm. Die Mitsprache der Patienten dabei ist ausdrücklich erwünscht. Hinzu kommt Gedächtnis- und Konzentrationstraining. Demnächst sollen die Patienten ganztägig betreut werden.

Die Krankheiten der alten Menschen sind zwar nicht heilbar, aber durch die Bedingungen in der Tagesstätte positiv zu beeinflussen. Für die Aufnahme im Haus besteht inzwischen eine lange Warteliste. Bislang aber weigerten sich die Krankenkassen, die nicht sehr hohen Tagessätze zu zahlen – kaum verständlich, wenn man bedenkt, was die Kassen der Krankenhaus- oder Heimaufenthalt dieser Patienten kosten würde. Monika Herrmann/epd

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