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Nachschlag

■ Gründung einer Ideen-Werkstatt in Potsdam

Wissenschaftspolitik findet meistens hinter geschlossenen Türen statt, Diskussionen über die eigene Arbeit sind bei Akademikern unbeliebt, und die Resultate langjährig-zähen Forschens verschwinden in den Bücherregalen. Diese Scheu vor der Öffentlichkeit gehört für den beamteten Wissenschaftler traditionell zum Berufsbild: Als Spezialist hat er die Ergebnisse seines Fachgebietes zu verwalten und wenn möglich zu bereichern. In den Ruch des Dilettantismus kann leicht geraten, wem es nicht gelingt, seine intellektuelle Neugierde rechtzeitig zu beschneiden. Die vielberufene und gefragte Interdisziplinarität muß meist mühsam organisiert werden.

Innerhalb des schwerfälligen universitären Apparates ist das eigentlich unmöglich; und fast aussichtslos innerhalb des von der „Abwicklung“ gebeutelten Wissenschaftsbetriebes der vormaligen DDR-Hochschulen. Es war daher ein kluger Schachzug des brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur, einmal an die Stelle der Abwicklung die Entwicklung neuer Dialogformen treten zu lassen. Es wollte sich beim Umbau der akademischen Landschaft offenbar nicht allein auf die Übernahme westdeutscher Modelle beschränken und betrieb daher die Gründung eines Wissenschaftsforums, das den besonderen Bedingungen der in Brandenburg ausgeprägten naturwissenschaftlichen Tradition entgegenkommt, aber auch eine Reaktion auf die diffuse Situation deutscher Wissenschaftspolitik darstellt. So entstand das Konzept für eine am 30. November gegründete „Stiftung Einstein Forum“ in Potsdam. Vorgesehen ist laut Gründungsprogramm eine „Einrichtung der Vermittlung“.

Eines der Modelle für die Arbeit des Forums ist das „Havard University Center for European Studies“ in den USA. Hier gibt es bereits positive Erfahrungen mit der Herstellung einer Zugänglichkeit des Wissens, die nicht nur auf der etablierten Ebene funktioniert und auch jüngeren Akademikern Chancen bietet. Das Arbeitsspektrum des Forums umfaßt die Bereiche „Verständnis der Natur“, „Wissenschaft und Weltbild“, „ethische und politische Aspekte der Wissenschaft“ sowie „Formen der Wissensvermittlung“. Konkret in Vorbereitung ist eine Reihe „Caputher Gespräche“ zu „Gedächtnis und Vergessen“ (Mai 93) und zu Themen wie „Gesetz und Chaos in der Wissenschaft“ oder „Kabbala und wissenschaftliche Phantasie“. Es soll hier vor allem um eine internationale Vernetzung von Natur- und Geisteswissenschaftlern gehen sowie um den Versuch, ein neues Ethos des Gesprächs bereitzustellen. Einer der wichtigsten Gedanken besteht aber darin, diese Veranstaltungen publik zu machen und in Rundfunk oder Fernsehen zu übertragen. Forschung könnte hier wieder überprüfbar und anregend werden.

Die Wahl Albert Einsteins als Namensgeber setzt zudem in einem Deutschland des wiedererwachten Rechtsextremismus ein Signal: Es fordert zur Erinnerung an einen intellektuellen Akademiker auf, der mit seinem Mut zur politischen Differenz und seiner Ablehnung jeglichen Identitätszwangs die Möglichkeit verkörpert hat, in offenen Prozessen zu denken und zu handeln. Daß dieses Projekt angesichts der gegenwärtigen Vorgänge in Deutschland sogar in Israel auf eine erstaunliche Solidarität gestoßen ist, spiegelt sich in der Besetzung des 24köpfigen Wissenschaftlichen Beirats wider. Lehrende aus Israel, den USA, Italien, der Schweiz, Frankreich, Polen und Deutschland haben ihre Mitarbeit zugesagt. Hans-Werner Zerrahn

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