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Die kleine Unbekannte

■ Von „Spiegel TV“ bis „Ten to Eleven“: Alexander Kluges Firma DCTP beliefert das Privatfernsehen mit Programmstoff

Wenn am 25. Januar dieses Jahres der „Infotainment“-Kanal Vox startet, wird die „Development Company for Television Programs“ (DCTP) für 23 Stunden Programm bei Sat.1, RTL und Vox verantwortlich zeichnen – und das in seltsamer Anonymität. Wer steckt hinter der Düsseldorfer Firma? Während bei ihren bekanntesten Sendungen, „SpiegelTV“ und „SternTV“ die Mitwirkenden und Verantwortlichen im Abspann genannt werden, gibt es bei den Eigenproduktionen „News & Stories“, „Primetime“ und „Ten to Eleven“ keine Credits.

Nur wer es weiß, erkennt bei den meisten Sendungen Alexander Kluge als den Interviewer, die ansonsten keinen Hinweis auf den Urheber enthalten.

Der heute 60jährige ist ein Pionier des Neuen Deutschen Films. Der promovierte Jurist Kluge gehörte zu den Mitverfassern vom „Oberhausener Manifest“, er schrieb Bücher („Schlachtbeschreibung“) und drehte Filme („Die Artisten unter der Zirkuskuppel, ratlos“, „Abschied von gestern“). Nach seinem letzten Essay-Film „Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit“ von 1985, in dem ein Produzent einen blinden Regisseur einen Film drehen läßt, hat er sich den Neuen Medien zugewandt.

Im selben Jahr hat Kluge zusammen mit dem japanischen Konzern Dentsu Inc., der größten Werbeagentur der Welt, DCTP gegründet. Dentsu zeichnet für 37,5 Prozent der Gesellschaftsanteile verantwortlich, dem Spiegel Verlag gehören 12,5 Prozent. Die andere Hälfte der Anteile hält Kluge für sich selbst und als Treuhänder für die Arbeitsgemeinschaft Kabel und Satellitenprogramme AKS.

Außer dem Engagement bei Vox gehören dazu schon seit Mai 1988 knapp zwei Stunden „Fremdanbieterprogramme“ auf RTL und 75 Minuten auf Sat.1. Die Existenz dieser „Fenster“ hat die nordrhein- westfälische SPD den Privaten gesetzlich verordnet, als sie sah, wie in CDU-regierten Bundesländern die neuen TV-Kanäle, ohne lange zu fackeln, den von den Mediengiganten Bertelsmann, CLT und Springer neu gegründeten Privatsender übergeben wurden. Während Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit RTL und Baden- Württemberg und Bayern mit Sat.1 fix Teilstaatsverträge abschlossen, schrieb Nordrhein- Westfalen in seinem Landesmediengesetz fest, daß kommerzielle Sender „Kulturfenster“ freihalten müssen – den „Bildungs-Ablaß für die Privaten“, wie es Jürgen Büssow, der medienpolitische Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD, nennt.

Kluge sperrte weitsichtig das lokale Fenster auf

Mit Blick auf den üppigen Werbemarkt der „Westschiene“ (wie Vox früher genannt wurde) im dichtbesiedelten Nordrhein-Westfalen gaben die beiden großen Privatsender zähneknirschend nach. Kluge, der schon an den Anhörungen zum NRW-Rundfunkgesetz teilgenommen hatte, nutzt die Gunst der Stunde, als die meisten deutschen Medienschaffenden die neuen Kanäle noch mitleidig belächelten. Er bot den Privaten Programme, um die „Fenster“ zu füllen.

Auf die DCTP-Sendungen haben die „Mantelsender“ keinen redaktionellen Einfluß. Erst wenn über die Lizenzvergabe neu entschieden wird (bei Sat.1 in diesem Jahr, bei RTL 1998), steht auch das Engagement von DCTP zur Disposition.

Auch wenn laut offiziellem DTCP-Statement „jeder Sendeplatz seine eigene Redaktion, seine eigene Charakteristik und seinen eigenen Stil hat“, sind „Primetime“, „Ten to eleven“ und „News & Stories“ offensichtlich Kluges Sendungen, auch wenn gelegentlich Gastregisseure wie Helke Sander Beiträge liefern. Gorbatschow oder Heiner Müller, Peter Glotz oder die amerikanischen Video- Aktivisten Papertiger haben sich Kluges gescheitem Insistieren gestellt – manchmal sogar in Kluges eigener Küche, im Hintergrund sieht man das Spülgut im Ausguß stehen. Auf RTL und Sat.1 füllt er damit knapp anderthalb Stunden pro Woche mit manchmal recht esoterischem Programm in vollkommener redaktioneller Unabhängigkeit – ein Unikum sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Besonders RTL-Intendant Helmut Thoma witzelt in Interviews noch heute gern, Kluges Exotenprogramme würde nur darum überhaupt jemand ansehen, weil sie vor der Soft-Sex-Show „Happy Playboy Hour“ laufen. Dabei hat ihm Kluges Engagement mit „Spiegel TV“ die einzige Informationssendung eingebracht, die seinem Sender kritische Anerkennung und mittlerweile auch ganz ansehnliche Einschaltquoten beschert hat. Und verglichen mit dem Quoten-Flop „Gottschalk“ steht eigentlich auch Kluge mit bis zu 1,2 Millionen ZuschauerInnen ganz gut da.

„Damit habe ich jetzt Macht“, gibt Kluge zu. DCTP halten eine Elf-Prozent-Beteiligung an Vox. Nach dem „Herausgeberprinzip“ hat er bei dem Bertelsmann-Projekt, das nur eine Teillizenz erhalten hat, Sendeplätze verteilt. DCTP wird ab Ende Januar des kommenden Jahres 16 der hundert Stunden Vox-Programm liefern. Wie schon bei RTL und Sat.1 hat Kluge als „Sieger ohne Beute“ Sendezeit an Printmedien vergeben, die sich ein Bein auf dem TV- Markt sichern wollen: SpiegelTV, die Zeit und die Süddeutsche Zeitung liefern Fernsehprogramme, die allesamt „ein Stück Fernsehen der Autoren“ verbreiten sollen. Später werden Sendungen der International Herald Tribune und der Neuen Züricher Zeitung dazukommen, außerdem sind ein „Asienreport“ und ein „Medienspiegel“ geplant, eventuell auch Sendungen von der Titanic-Redaktion, der Ostberliner Wochenpost und der französischen Liberation.

Auch diese Sendungen sind unabhängig vom Einfluß von Vox wie von DCTP, die bloß fünf Prozent management fee aus den Werbeeinnahmen kassiert. Einzige Einschränkung: Wer weniger als sechs Prozent der Kabelhaushalte erreicht, fliegt aus dem Programm. Tilman Baumgärtel

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