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Zufriedenheit nur bei den Kroaten Bosniens

Die Genfer Verhandlungen über die Zukunft Bosniens sollen erst am Sonntag fortgesetzt werden/ Izetbegović und Karadžić müssen sich zuvor mit ihren Kommandeuren beraten  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Nach der Unterbrechung der Genfer Jugoslawienkonferenz am Montag abend hat der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić in mehreren Interviews den Anspruch auf einen serbischen Teilstaat in Bosnien-Herzegowina bekräftigt. Die beiden Konferenzvorsitzenden Cyrus Vance und David Owen wollen in den nächsten Tagen in Belgrad Präsident Slobodan Milošević dazu bewegen, Karadžić von dieser Haltung abzubringen.

Am Montag abend hatten Vance und Owen ein aus drei Abkommen bestehendes Paket zur Unterzeichnung vorgelegt: den Text für eine künftige Verfassung Bosnien-Herzegowinas, ihre bereits am Samstag in die Verhandlungen eingebrachte Karte mit der Aufteilung der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik in zehn weitgehend ethnisch definierte Provinzen sowie die Prinzipien und Umsetzungsmodalitäten für einen Waffenstillstand.

Als einziger unterschrieb Kroatenführer Mate Boban am Montag abend das Paket. Nach Einschätzung der meisten Beobachter würden die kroaten, falls das gesamte Abkommen in Kraft treten würde, am meisten Gelände gewinnen. Der muslimische Präsident Alija Izetbegović signalisierte, er akzeptiere den Verfassungstext und die Waffenstillstandsvereinbarung, nicht jedoch die Karte.

Serbenführer Karadžić lehnte zunächst alle drei Bestandteile des Paketes ab. Izetbegović und Karadžić erklärten, sie müßten sich zu Hause beraten.

Laut Verfassungstext soll Bosnien als ein „in zehn autonome Provinzen dezentralisierter Staat innerhalb seiner derzeitigen internationalen Grenzen“ mit einer einheitlichen Staatsbürgerschaft weiterbestehen. Die zentrale Regierung mit Sitz in Sarajevo soll alle Kompetenzen haben über die Außenpolitik einschließlich der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, des Außenhandels sowie der Erhebung von Steuern. Eine Reihe anderer Kompetenzen (Zentralbank, Währung, Elektrizitätsversorgung, internationale Verkehrs-und kommunikationswege) sollen von allen zehn Provinzen gleichmäßig beschickte Gremien wahrnehmen. Alle anderen Kompetenzen gehen auf die Provinzregierungen über. Mit diesen Verfassungsgrundsätzen ist die Haltung der bosnischen Serben nicht vereinbar.

Karadžić lehnte ebenfalls die in dem Waffenstillstandspapier vorgesehene Kontrolle schwerer Waffen mit Kalibern von über 12,7 Millimetern durch die UNO ab. Seine militärischen Kommandeure, die dieses Papier mit ihren kroatischen und muslimischen Kollegen in den letzten Monaten ausgehandelt und in Genf unter Vorsitz des UNPROFOR-Oberkommandieren General Satish Nambiar fertiggestellt hatten, hatten der Passage über die Waffenkontrolle zuvor jedoch zugestimmt.

Izetbegović hatte am Mittag erklärt, ohne eine Zustimmung der Serben zur Erhaltung des „Staates Bosnien-Herzegowina“ sowie zur Kontrolle der schweren Waffen werde es keine Vereinbarung geben. Er ließ offen, ob die Muslime in diesem Fall verstärkte militärsiche Gegenoffensiven mit dem Ziel der Rückeroberung verlorener Territorien starten werden. Der bosnische Präsident machte allerdings auch deutlich, daß die von ihm am Sonntag als Verhandlungsgrundlage akzeptierte Kartenvorschlag noch erheblich verändert werden müsse. Da sich die drei Seiten während der dreitägigen Verhandlungen in keinem Punkt über eine Änderung der Karte einigen konnten, legten Vance und Owen am Montag abend dieselbe Karte zur Unterzeichung vor, die sie am Samstag offiziell in die Verhandlungen eingebracht hatten. Aus der Delegation Izetbegović' gab es Hinweise, daß der Präsident bei seinen Beratungen in Sarajevo möglicherweise derart von seinen militärischen Kommandeuren unter Druck gesetzt werden könnte, daß er bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen am Sonntag seine bisherige Zustimmung zurücknehmen dürfte.

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