Der Dank der russischen Seele

■ Ausstellung im Tränenpalast: 27 russische Künstler revanchieren sich mit "Päckchen für Deutschland" für Hilfsaktionen / Klischee von der Tiefe des russischen Gemüts

Berlin. Teuer ist mir deine Liebe, nicht dein Geschenk, heißt ein russisches Sprichwort. Aber natürlich freut man sich trotzdem immer, wenn man etwas geschenkt kriegt. Am Abend des 7. Dezember, des orthodoxen russischen Weihnachtstages, bescherten 27 russische Künstler im Tränenpalast „Päckchen für Deutschland“, die später an deutsche Kunstvereine weitergegeben werden sollen – als symbolischer Dank für die Rußlandhilfe deutscher Privatleute in den vergangenen beiden Wintern. Eine Hilfe, die viel wertvoller sei als Aktivitäten von Staaten oder Politikern, denn diese, so der Kunstkritiker Kovalev im Ausstellungskatalog, tendierten stets dazu, „selbst edelste Gefühlswallungen für eigene Ziele auszunützen“. Ein wenig erfüllt das Konzept der Ausstellung das Klischee von der gefühlsduseligen russischen Seele: „Dies ist der erste Kulturaustausch, der völlig unpolitisch ist, der nur von Mensch zu Mensch geht“, betonte Georgij Avanjan, einer der Organisatoren, in seiner Eröffnungsansprache. Gleichzeitig ist die Ausstellung aber voll spielerischer Leichtigkeit. Avanjan hat einen schwarzen Holzkasten aufgestellt, der sich ab und zu ein wenig lüpft und zwei Vogelfüße sehen läßt. Das höhnische Zwitschern, mit dem der Kasten sich wieder abrupt schließt, war eine permanente Begleitmusik zur Ausstellungseröffnung, übertönt nur von dem ohrenbetäubenden Bescherungsglöckchen, das der russische Musiker Tarasov mit seiner Performance auf dem Schlagzeug läutete. Ganz frei von politischem Inhalt waren die Exponate, die das Technische Hilfswerk auf der Rückfahrt von einem Hilfstransport nach Berlin brachte, dennoch nicht. Eine überdeutliche Anspielung auf die russische Misere sind zwei Säcke leerer Wodkaflaschen. Der älteste Künstler, der 52jährige Dmitrij Prigov – er nahm an der Kasseler documenta VIII teil –, verschnürte einen Stapel alter Prawda-Ausgaben zum Paket. Und Dmitrij Vrubel, der in Berlin durch sein „Breschnew küßt Honecker“-Bild an der East Side Gallery bekannt ist, malte photorealistisch einen deutschen Skinhead und eine alte Russin, die sich mit aggressiven Gesten gegenüberstehen.

Die Mehrzahl der Künstler ist um 1960 geboren und damit in recht jungen Jahren Zeitzeuge der Perestrojka geworden. Ihre Bilder und Installationen, die frei vom Zwang zu realistischer Darstellung entstanden sind, haben einen verspielten, zitatfreudigen Charakter. Zu seiner betont schludrigen Kopie von Velasquez' berühmtem Porträt des Infanten Karlos Balthasar schreibt Sergej Kalinin, es stelle in Wirklichkeit den jungen Friedrich den Großen dar. Das beliebige Spiel der Zeichen wird auf die Spitze getrieben, wenn Marija Konstantinova ein rotes Hakenkreuz sich mit einem schwarzen Sowjetstern paaren läßt. „Für mich ist das eine Art fremdartiger Heirat, ein Tanz der Symbole“, sagte die 40jährige Moskauerin. Aber diese Interpretation dürfte dem deutschen Publikum nur schwer zu vermitteln sein.

Hakenkreuz paart sich mit Sowjetstern

Das Päckchenmotiv erscheint immer wieder, im ausrangierten Schleifsteinbehälter, Kasten oder in der Truhe. In der russischen Folklore ist die Truhe ein Symbol für den Tod. Überhaupt werden viele Folkloreelemente zitiert, besonders die in Deutschland populären – Ostereier, Zöpfe von Dorfmädeln und russische Puppen. Vierzehn davon hat Dmitrij Kantorov auf einer alten Truhe aufgereiht – zur großen Freude der anwesenden Kleinkinder, die immer wieder Lücken in die rotgemusterte Puppenfront zu schlagen versuchen. Die Weihnachtsbescherung ist eben doch noch nicht ganz vorbei. Miriam Hoffmeyer

Die Ausstellung ist bis 31. Januar geöffnet. Heute abend sowie am 10., 11., 15. und 17. Januar jeweils um 20 Uhr werden dort experimentelle russische Kino- und Videofilme vorgeführt.