Nachschlag

■ Wintertheater im Wirtshaus Moorlake

Auf den Tag genau 45 Jahre nach dem Tod Kurt Schwitters' offenbarte sich seine inzwischen längst gewonnene Salonfähigkeit aufs trefflichste. Im bajuwarisch anmutenden einstigen Jagdhaus der Hohenzollern, dem Gasthaus Moorlake, gibt man sich bei der literarischen Kabarett-Revue mit Texten von Georg Kreisler und Schwitters förmlich, die Damen und Herren im Saal sind (bis auf wenige Ausnahmen, die da vor allem unter den nichtzahlenden Gästen, also den KritikerInnen, zu finden sind) nobel gepflegt. Nichts ist hier zu ahnen von dem Aufruhr, den Schwitters einstmals mit unsinnigen Abhandlungen, zum Beispiel über einen Ofen, provozierte. Gerlinde Kempendorff, Egon Hofmann und Jörg Erdmann (am Klavier) kamen erst gar nicht in die Verlegenheit, die Sanktionsmaßnahmen des selbsternannten Merz- Künstlers Schwitters zu ergreifen, also fünf Minuten Zwangspause einzulegen, um den Gemütern Zeit zu geben, sich zu beruhigen. Im Gegenteil. Die dadaistischen Klangmalereien und Gedichte, deren Unsinn zum Sinn wird, amüsieren und goutieren.

„Da würgt der Bär“ heißt das Programm nach einer Schwitters-Zeile, was als bewußt gewählter Titel durchaus als Assoziation zur Berliner Senatspolitik verstanden werden könnte – selbst wenn Gerlinde Kempendorff dies vorab ausdrücklich in Abrede stellte. Im Sinne Schwitters' jedoch, der mit den politischen Dadaisten wenig gemein hatte, wurde l'Art pour l'Art gegeben, verdichtet durch den pechschwarzen Humor Kreislers. Eine gute Grundlage, bestens zum Leben erweckt von Kempendorff und Hofmann. Die Diplom-Musik- und Gesangslehrerin „made in DDR“, die seit 1982 freischaffend mit Kabarett- und Theaterprojekten unterwegs ist, hat eine stimmgewaltige Bühnenpräsenz. Es scheint, als seien nur Antagonismen geeignet, sie zu beschreiben: bescheiden und doch sehr selbstbewußt; charmant und doch ein herber Frauentyp; Grande Dame und kein bißchen affektiert. Von Kopf bis Fuß – und sie ist sehr groß – ist sie voll unschuldigen, lakonischen Witzes, wenn sie lispelnd, sächselnd und zungenbrecherisch durch das Programm hechelt, obwohl das Training und die jahrelange Ausbildung nicht zu übersehen und zu -hören sind. Erst sie macht zum Beispiel den Dreizeiler Schwitters' „Meine Tante heißt Ida/ die hat zwar keine Lust/ aba das kommt wieda“ zum Knaller. Fast drängt die quirlige Chansonette ihren Partner Egon Hofmann von der Bühne, obwohl auch er als Silbenjongleur im „Obervogelsang“ (Schwitters) im Federgewand und Flossen herrlich komisch ist. Petra Brändle

Eintritt: 65 DM im Vorverkauf, sonst 75 DM einschließlich Menue. Vorstellungen: kommenden Freitag und Samstag.