: Zuflucht für Landfrauen
■ Gewalt gegen Frauen? Gibt es doch gar nicht, sagten die Herren Kreistagsabgeordneten.
Es ist so eine Sache mit der Gewalt: Am besten, man spricht nicht darüber, dann scheint es sie auch nicht zu geben. Als die stellvertretende grüne Landrätin Elke Schnitger im Kreistag Oldenburg vor fünf Jahren eine kleine Anfrage bezüglich Gewalt gegen Frauen im Landkreis einreichte, hagelte es höhnische Bemerkungen, erinnert sie sich. „Sowas“, befanden einige Herren Landräte, gebe es doch nur in der Stadt.
-Die Statistik straft die Herren Lüge: 34 Vergewaltigungen wurden im Landkreis in den Jahren 1986 bis 1990 angezeigt, 132 Fälle von sexuellem Mißbrauch an Kindern nennt die Kriminalstatistik Delmenhorst. Doch auch auf dem Lande werden nur wenige Gewalttaten gegen Frauen tatsächlich aktenkundig: „Es sind kine Fälle bekannt“, meldet beispielsweise die Gemeinde Ganderkesee und ergänzt: „Die Gleichstellungsstelle nimmt an, daß die Frauen aus Angst vor dem Stigma sich nicht an öffentliche Einrichtungen wenden.“ Und die Gemeinde Hatten berichtet: „Nach Erfahrungen des Sozialamtes werden Frauen oft geschlagen oder vergewaltigt“. Als Täter werden ebenso wie in den Nachbarorten ausschließlich Ehemänner oder Partner genannt.
Die Frauenhäuser in Oldenburg und Bremen haben zahlreiche Schutz suchende Frauen aus dem Landkreis Oldenburg aufgenommen. „Anzeigenerstattung erfolgt aus Angst vor Rache sehr selten“, berichten sie. Seit 1991 gibt es im Landkreis eine Frauenschutzwohnung, die „ständig überbesetzt“ war, sagt die Frauenbeauftragte des Landkreises, Hildegard Kornemann. Nun soll der Landkreis endlich sein eigenes Frauenhaus erhalten. — Auf den Lande, in einer vertrauten Umgebung, denn die Frauen aus dem Kreis zögen ungern in die Stadt, so die Frauenbeauftragte.
„Es war ein jahrelanger Bewußtwerdungsprozeß“, erinnert sich Hildegarde Kornemann. Doch „Stück für Stück“ und mit dem schlagenden Argument der Statistik im Rücken gelang es ihr und den Frauen aus dem Gleichstellungsausschuß, die Herren von der alltäglichen Gewalt im Landkreis zu überzeugen. Nun hat „der Kreis ein Objekt erworben“ — so der Oberkreisdirektor Wolfgang Haubold — das er aber möglichst nicht selbst betreiben wolle. Jetzt werde mit freien Trägern - etwa der Arbeiterwohlfahrt — verhandelt. Schließlich würden im sozialen Gefüge unseres Staates die Aufgaben nach dem „Subsidiaritätsprinzip“ aufgeteilt.
Keine gute Lösung, findet die Grüne Elke Schnitger. Sie plädiert für ein Autonomes Frauenhaus in Trägerschaft der Kommune. Für die Oldenburger Frauenbeauftragte, die in den fünf Jahren ihrer Tätigkeit in Wildeshausen einen Notruf für vergewaltigte Frauen aufgebaut und die Schutzwohnung für mißhandelte Frauen eingerichtet hat, ist das Haus auch eine Frucht ihrer Arbeit: „Wenn ich das jetzt abgeben muß, weiß ich nicht, wie das weitergeht.“ dir
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