200 Hungertote in Ostbosnien

■ London denkt über Verstärkung der UN-Truppen in Bosnien nach, Belgien möchte seine Soldaten gern aus Kroatien zurückziehen / Bericht über Massengräber im kroatischen Ostslawonien

Sarajevo (dpa/AFP) – Noch vor dem endgültigen Scheitern der Genfer Konferenz hat der britische Verteidigungsminister Malcolm Rifkind am Dienstag morgen die Möglichkeit einer „schnellen“ Verstärkung des britischen Militärs in Bosnien-Herzegowina mit Flugzeugen und schwerer Artillerie nicht ausgeschlossen. Der Verteidigungsminister erinnerte daran, daß die Aufgabe der UN- Schutztruppen für Jugoslawien (UNPROFOR) bislang rein humanitärer Natur sei. Die „verstärkte Aggressivität der Serben“ könne es aber notwendig machen, weiteres Material im Rahmen einer „zweiten Aufgabe“ in das Kriegsgebiet zu schicken.

Das belgische Verteidigungsministerium hat dagegen Pläne zur Evakuierung seiner in Kroatien stationierten belgischen Blauhelme vorbereitet. Begründung: Sollte der UN-Sicherheitsrat beschließen, das Flugverbot über Bosnien mit Gewalt durchzusetzen, könnten diese von serbischen Angriffen „bedroht“ werden.

In mehreren von den serbischen Truppen belagerten Ortschaften im Osten Bosniens sind allein am Montag mindestens 200 Menschen an Hunger und Kälte gestorben. So sind in Srebrenica 104 Menschen verhungert oder erfroren, während in der seit neun Monaten von der Außenwelt abgeschnittenen Ortschaft Zepa an der Drina 47 Tote gezählt werden mußten.

Alle diese Städte und Dörfer Ostbosniens können schon seit Wochen wegen heftiger Kämpfe von der UNO nicht mehr mit Hilfsgütern beliefert werden. Ein Sprecher der UNHCR, des Flüchtlingswerkes der UNO, teilte mit, daß seine Organisation prüfe, einige Ortschaften per Fallschirm-Abwurf zu versorgen.

Das kroatische Gesundheitsministerium hat in Ostslawonien insgesamt elf Massengräber ausfindig gemacht. Dies geht aus einem Zwischenbericht des Ministeriums über die „Massenerschießungen“ im kroatisch-serbischen Krieg hervor. Zur Zeit sind die Gebiete, in denen sich die Massengräber befinden sollen, unter UN- und serbischer Kontrolle. Da die UN- Blauhelme es den kroatischen Ermittlern aus „Sicherheitsgründen“ nicht gestatteten, die Orte aufzusuchen, beruht der Bericht auf schriftlichen Unterlagen und Augenzeugenberichten. Im einzelnen werden alleine fünf Massengräber in der Stadt Vukovar aufgeführt, die am 18.November 1991 nach dreimonatiger Belagerung von serbischen Einheiten erobert worden war. In diesen Massengräbern befänden sich insgesamt 1.750 Leichen. Ein weiteres Massengrab mit „höchstwahrscheinlich“ 303 Leichen befindet sich nach diesen Angaben in Ovcara unweit von Vukovar. In Tordinci seien unweit der katholischen Kirche 208 Tote gemeinsam mit Tierkadavern begraben worden.