■ Ein deutscher Kneipier schockiert Neuseeland
: Elf kleine Hitler als Tischfußballer

Lyttelton (taz) – Die „Wunderbar“ ist eine vielbesuchte Szenekneipe im neuseeländischen Hafenstädtchen Lyttelton. Eröffnet hat sie vor drei Monaten der ausgewanderte Berliner Bühnenbildner und frühere Flohmarkthändler Jörg Schwarz (36). Jetzt geriet er als vermeintlicher Neonazi in die Schlagzeilen und in die Top-Nachrichtensendungen, weil er die Figuren seines Tischfußballspiels als elf kleine Hitler und elf lächelnde Juden-Sträflinge anmalte.

taz: Jetzt gibt es also auch am anderen Ende der Welt Neonazis?

Jörg Schwarz: Nein, das ist doch völliger Quatsch. Wenn ich Fascho wäre, dann wäre ich wohl jetzt in Deutschland bei meinen „arischen Brüdern“.

Also war das Ganze ein plumper Werbetrick?

Ach was. Ich hätte auch Yuppies und Hippies nehmen können.

Das ist ja wohl ganz was anderes. Bei KZ denkt jeder gleich an sechs Millionen ermordeter Menschen!

Sicher, da waren viele schnell sehr empört. Aber ich komme eben aus Berlin, da macht man so was. Die Leute schimpfen: Wie geschmacklos. Politiker kamen, Leute von der Stadt. Im Fernsehen 15 Minuten Live-Diskussion bei „Holmes“ mit Vertretern der jüdischen Gemeinde. Da haben sie erst einen ziemlich schlimmen Beitrag gezeigt mit Aufnahmen hier aus der „Wunderbar“, dazwischen geschnitten Bilder aus der Nazizeit, dazu deutsche Marschmusik. Ich konnte mich nur noch verteidigen und kam nicht mehr dazu, daß es auch in Neuseeland ein Rassistenproblem – mit den Maoris – gibt.

Trotzdem: Das Ganze bleibt doch geschmacklos, peinlich, unsensibel den Opfern und ihren Nachfahren gegenüber.

Nein, wieso? Wem es nicht paßt, der braucht ja nicht herzukommen. Auch das ist Demokratie. Und die jüdische Gemeinde hier hat es so geschafft, mit all ihrem Einfluß, zwei Tage in die Nachrichtensendungen zu kommen.

Hat man als Deutscher nicht eine besondere Verantwortung der Geschichte gegenüber?

Ich kann doch nichts dafür, Deutscher zu sein. Warum darf ich die Thematik nicht ansprechen? Die Juden heute machen ja auch Profit aus unserem Schuldbewußtsein. Das muß auch mal aufhören.

Die Aufregung ist sicher auch deshalb so groß, weil zur gleichen Zeit in Deutschland Hitlers selbsternannte Enkel Ausländer ermorden und Asylbewerberheime anstecken.

Ich weiß. Nur – diese Typen marschieren doch nicht wegen meinem table-soccer. Und weil ich es jetzt übergemalt habe, ist das Problem Neonazis auch nicht vom Tisch, und die sechs Millionen Juden kommen nicht wieder zum Leben. Da ist es doch besser, einer provoziert die Leute, um bewußt zu machen, was passiert ist. Ich mußte vielen Leuten erklären, was unsere deutsche „Rasse“ angerichtet hat. Und ich habe viel Post bekommen: Scheiß „Kraut“, geh wieder in dein dreckiges Deutschland zurück. Zustimmendes von Deutschen, auch von diesen netten älteren Herren, die alle 1946 schnell hierhin kamen, und nur gesagt haben: Wie kannst du als Deutscher nur zu diesem Holmes ins Fernsehen gehen, der ist doch selber Jude.

Also keine Scham, nichts bereut?

Nein, gar nicht. Niemand ist zu Schaden gekommen. Manche wurden erinnert, wie sie ihre Angehörigen verloren haben. Das tut mir leid. Am meisten tun mir die Deutschen leid, die hier seit 40 Jahren leben und sagen, sie hätten 20 Jahre gebraucht, um das Dritte- Reich-Vorurteil loszuwerden, und jetzt schreien die Nachbarn wieder: Du Nazi. Das habe ich nicht gewollt. Und darum habe ich die Männlein wieder übermalt. Interview: Bernd Müllender