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Chefs über Tempelhof

■ Auf City-Flughafen werden erstmals wieder über eine Million Passagiere erwartet / BI: Versprechen gebrochen

Berlin. Entgegen allen Absichtserklärungen starten immer mehr Flugzeuge vom innerstädtischen Flughafen Tempelhof. In diesem Jahr werden erstmals seit 1975 – der Eröffnung von Tegel – in Tempelhof wieder mehr als eine Million Fluggäste erwartet. Dies sagte gestern der Sprecher der Berliner Flughafengesellschaft (BFG), Wolf-Dieter Schultze, gegenüber der taz. Die Zahl der Starts und Landungen hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 1992 um 40 Prozent auf etwa 800.000 Reisende erhöht. Die Bürgerinitiative Flughafen Tempelhof (BIFT) sieht nun „alle Versprechen gebrochen“.

Die Anwohner des am dichtesten umbauten Flughafen Berlins seien die Indianer im Wilden Westen der Berlin-Brandenburger Verkehrspolitik, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Politiker, Fluglinien und Flughafengesellschaft würden sich inzwischen ungeniert für den gefährlichen – vor 70 Jahren genehmigten – Flughafen einsetzen.

Immer mehr Linien wechselten von Tegel zum Rollfeld in der Innenstadt. Seit dieser Woche bietet die Scandinavien Airlines ihre Kopenhagen-Flüge von Tempelhof aus an. Auch die Lufthansa plane die Verlegung bestimmter Angebote in die Stadt. Schließlich werben die Linien auch noch mit der „guten Nachricht“, „daß der Weg zum Flughafen für die meisten kürzer wird“.

Tempelhof sei ein günstiger Flughafen für Geschäftsreisende, weiß BFG-Sprecher Schultze. Weil die Airlines dort mit kleineren Maschinen fliegen, könnten sie einzelne Flüge häufiger anbieten als in Tegel. Die Aufgabenverteilung zwischen Tegel (In- und Ausland mit großen Maschinen), Schönefeld (vor allem Charter) und Tempelhof (In- und Ausland mit kleinen Maschinen) werde sich vorläufig nicht ändern. Solange Tempelhof nicht geschlossen werde, müsse die Nachfrage der Airlines bedient werden.

Doch desto größer der Run auf Tempelhof, um so schwerer wird es, den Flugverkehr aus der Innenstadt nach Schönefeld zu verlagern. Der Stadtrandflughafen könnte jährlich etwa vier Millionen Fluggäste abfertigen, schaffte es im vergangenen Jahr aber nur auf 1,6 Millionen Nutzer. Schultze rechnet dennoch damit, daß Tempelhof auf jeden Fall bis zum Jahre 2000 in Betrieb bleibt – sollte die Olympiade in Berlin stattfinden. Die SPD hatte darauf gedrängt, den Airport der Business-Class schon 1995 zu schließen, Verkehrssenator Herwig Haase sprach vor zwei Jahren von einer für 1996 geplanten Schließung. Gestern hieß es aus seiner Verwaltung nur noch „so schnell wie möglich“ – auf einen Termin will sich der Senator nicht mehr festlegen lassen. Dirk Wildt

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