Kronzeugenregelung wird verlängert

■ Bundesrat stimmt zu/ Gültig bis 1996

Bonn (dpa/AFP/taz) – Die umstrittene Kronzeugenregelung kann von der Justiz bei terroristischen Straftätern weitere drei Jahre angewendet werden. Der Bundesrat stimmte gestern einem entsprechenden Gesetzentwurf des Bundestages zu. Die 1989 eingeführte Kronzeugenregelung soll Täter aus der terroristischen Szene ermuntern, im Tausch gegen Straferlaß – bis hin zum Absehen von Strafe – einstige Gesinnungsgenossen zu verraten.

In der Gesetzesbegründung heißt es, daß die Regelung in zwei wichtigen Bereichen zur Aufklärung terroristischer Straftaten beigetragen habe: zum einen bei der Vernehmung der in der DDR untergetauchten ehemaligen RAF- Mitglieder, zum anderen bei der Aufklärung von Anschlägen ausländischer Terrororganisationen. Auch könne sie bei rechtsextremistischen Gewalttaten herangezogen werden.

Tatsächlich hatte die Anwendung der Kronzeugenregelung bei den Prozessen gegen die DDR- Aussteiger überwiegend Kritik hervorgerufen. Zur Aufklärung von Straftaten hatte sie nur unwesentlich beigetragen, und die Verhinderung neuer Straftaten ist bisher nicht zu verzeichnen.

Als einzige Rednerin kritisierte die niedersächsische Justizministerin Heide Alm-Merk (SPD) die Verlängerung. Sowohl die bisherigen Erfahrungen: „in keinem einzigen Fall“ wurde eine Straftat verhindert, wie auch die verfassungsrechtlichen Bedenken sprächen gegen das Gesetz.

Auch der schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt Prof. Heribert Ostendorf hat sich gegen eine Verlängerung ausgesprochen. In einem Interview des NDR sagte er, „daß die nachteiligen Wirkungen für unser rechtsstaatliches System größer einzuschätzen sind als mögliche Vorteile“. Die Regelung widerspräche sowohl dem Legalitätsprinzip, nach dem jede Straftat verfolgt werden müsse, wie auch dem Gleichheitsgrundsatz.