: Der Findelmann
Drei Tage galt er als verschollen, und Bremen dürstete nach Informationen über den geheimnisvollen Fremden, der immerhin ein Sohn der Stadt sein könnte: Der Mann ohne Gedächtnis, der in der letzten Woche in Malaga, Spanien, mit einem angeblichen Filmriß auftauchte, ist wieder da. Seit Sonntag abend wird er vom Verlag Gruner & Jahr in Hamburg bewirtet, und der „Stern“ will die Hintergründe des Mysteriums erhellen.
Das Foto mit der Aufschrift „85. Geburtstag in Bremen“ in der Jackentasche des Findelmannes hatte Vermutungen Nahrung gegeben, daß es ihn von der Weser an die spanische Küste verschlagen habe. In Malaga hatte er zwei Deutsche gefunden, die ihn in ihrem Auto von Spanien bis ins süddeutsche Biberach mitnahmen. Die hilfsbereiten Schwaben bauten jedoch vor ihrer Haustür einen Verkehrsunfall, und der einschreitende Polizist erkannte den Mann. Er bot sich an, durch „erkennungsdienstliche Maßnahmen“ zur Identität zu verhelfen: „Wenn Sie mal was angestellt haben, krigen wir schnell heraus, wer Sie sind!“
Dem war der Fremde jedoch abgeneigt. Ein Versuch, ihn zwecks Klärung seiner Vergangenheit zu einem Besuch beim Bundeskriminalamt zu bewegen, scheiterte am Freitag trotz entsprechender Absprachen.
Am Sonntagabend meldete sich der Mann ohne Gedächtnis, der sich der sich inzwischen jedoch Kenntnisse der deutschen Medienlandschaft erworben haben muß, bei der Hamburger Morgenpost. Dort ließ er sich mit einer Pizza bewirten und bestellte anschließend einen Journalisten ins Hotel. „Geld hat er nicht gefordert“, sagte Redakteur Achim Ortmann. Der Geheiminsvolle befand sich noch gestern früh im Hotel und erteilte freundlich Auskünfte — soweit bei seinem löchrigen Gedächtnis möglich.
Vermutungen, daß sich das Ganze um Hochstapelei handeln könnte (eine Vermißtenmeldung von Angehörigen ist nicht erfolgt) bestätigten sich noch nicht. Der „Stern“ dementierte gestern Gerüchte, daß es sich um einen Gag des Entertainers Harald Schmidt für „Verstehen Sie Spaß?“ handele. Lutz Wetzel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen