: Pazifistischer Notstand-betr.: "Auf Leben und Tod", Walter Jakobs über Kriegsdienstverweigerung, taz vom 28.12.92
betr.: „Auf Leben und Tod“, Walter Jakobs über Kriegsdienstverweigerung, taz vom 28.12.92
In welch moralischen Notstand der Balkankrieg auch überzeugte Antimilitaristen bringen kann, hat Walter Jakobs' Beitrag in dankenswerter Offenheit dargelegt. Welch gewaltige Verdrängungsanstrengungen unternommen werden müssen, um Zweifel an der Gültigkeit tiefwurzelnder pazifistischer Überzeugungen zu exorzieren, dokumentieren schon seit geraumer Zeit taz-Artikel und Briefe zu diesem Thema.
Da werden ohne viel historischen Federlesens die „Separatisten“ in Slowenien, Kroatien, Bosnien als eigentliche Übeltäter gebrandmarkt, da werden sophistische Debatten über die Verwendbarkeit des Begriffs Faschismus für die serbische Politik geführt, da werden Fernsehbilder über Kriegsgreuel als Mißbrauch qualifziert – was gelten Grundsätze wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker oder die Wahrung der Menschenrechte noch?!
Da fehlt natürlich auch nicht der Verweis auf die bislang unterbliebenen Bemühungen um ein lückenloses Embargo oder ein umfassendes Waffenexportverbot – ohne daß erklärt würde, wie diese Forderungen denn national und international vor dem Hintergrund der Souveränität von Staaten, unterschiedlicher politischer Systeme, divergierender Interessen durchgesetzt werden könnten.
Die Heilsgewißheit des radikalen Pazifismus, daß eine auf rationalen Diskursen und friedlichen Konfliktlösungsstrategien basierende Politik das Grundübel dieser Welt, den Krieg, abschaffen könnte, hat praktisch bisher keine Bestätigung gefunden. Die Verweigerung des Wehrdienstes oder die Mitarbeit in internationalen Friedensbrigaden ist gewiß ehren- und unterstützenswert. Aber reicht das aus? Wie viele rassistische Säuberungen, wie viele Konzentrationslager, wie viele Völkermorde werden wir noch mit ansehen müssen, bis die Versprechen des Pazifismus – vielleicht – eingelöst werden? Jürgen Bartsch, Rheinberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen