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Resignation oder neuer Aufbruch?

„Femina Publica“ – Die feministische Öffentlichkeit innerhalb der patriarchalen Medienwelt/ Existiert sie noch oder hat sie sich längst allumfassender Resignation hingegeben?  ■ Von Claudia Breger

Ein Blick auf die feministische Zeitschriftenlandschaft der BRD legt die Vermutung nahe, daß sich das Projekt „feministische Öffentlichkeit“ in einer Krise befindet. Zeitungen werden eingestellt, Motivationsverluste und zunehmende Zweifel an den Perspektiven der eigenen Arbeit schleichen sich ein. „Die Aufbruchseuphorie in den Anfängen der Frauenbewegung, die auch viele Medienfrauen erfaßte, ist steckengeblieben“, konstatieren die Herausgeberinnen der „beiträge zur feministischen theorie und praxis“ in ihrem Band mit dem Titel „Feministische Öffentlichkeit – patriarchale Medienwelt“. Die dort versammelten Aufsätze reflektieren die Bedingungen, unter denen „feministische Öffentlichkeit“ stattfindet, erklären die resignative Stimmung – und spiegeln sie zugleich.

Tenor der meisten Beiträge ist die Einschätzung, Medienöffentlichkeit biete in unserer Gesellschaft keine Möglichkeiten mehr, politisch oppositionell zu wirken. Das aufklärerische Konzept bürgerlicher Öffentlichkeit, erinnert die Journalistin Christa Wichterich, hat sich spätestens im Golfkrieg selbst entlarvt. Die offene Zensur des „Ausnahmezustandes“ zerstörte allerdings nur einen Schein, dem der journalistische Alltag schon lange nicht mehr entsprach: Konkurrenz, Aktualitätsdruck und der Zwang zur Sensation lassen Zensur bereits im Kopf auch der kritischsten Journalistin beginnen. Die zerstückelten Nachrichten, die so produziert werden, helfen, uns zu beherrschen: Zusammenhänge und die Komplexität des Geschehens werden vernichtet. Heidrun Ehrhardt beschreibt diese „Fragmentarisierung“ als moderne Basis von Ideologieproduktion.

Bleibt zu fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, in den „autonom“-feministischen Öffentlichkeitsraum auszuweichen. Die Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität werden immer größer. „Professionalisierung“ bewirkt Arbeitsteilung und gefährdet die Gleichheit der am Projekt beteiligten Frauen. Von „Refeudalisierung“ sprechen gar Regina Dackweiler und Barbara Holland- Cunz, provokativ beziehen sie sich in ihrem Beitrag zum „Strukturwandel feministischer Öffentlichkeit“ auf die Beschreibung, die Habermas von der bürgerlichen Öffentlichkeit lieferte.

Positive Bewertungen der jüngeren Entwicklungen gibt es praktisch nicht. Handlungsvorschläge beschränken sich auf den gelegentlichen Ruf zur Umkehr. Optimismus verbreiten lediglich die Beiträge aus dem nicht-europäischen Ausland: Überzeugt berichten die Mitarbeiterinnen eines Zeitungs- und Radioprojekts aus Uruguay davon, „radikal und populär“ zugleich sein zu wollen. Die Feststellung, sie seien nicht-feministischen Medien in attraktiven Präsentationsformen ähnlich, ist für sie unproblematisch, denn die inhaltliche und ethische Abgrenzung fällt leicht. Fehlt diesen Frauen die theoretische Verknöcherung der Bundesrepublikanerinnen? Nehmen sie eine Chance wahr, die herrschenden Rezeptionsgewohnheiten für subversive Zwecke zu nutzen? Oder – leben und arbeiten sie vor allem in einer jüngeren Frauenbewegung, einer anderen politischen Situation? Sind sie schlicht weniger frustriert?

Diesem „Frust“ möchte sich die „Gruppe feministische Öffentlichkeit“ nicht überlassen. Das von ihr herausgegebene Buch „Femina Publica: Frauen – Öffentlichkeit – Feminismus“ will „weiterdenken, fortschreiben, Alternativen durchspielen“. Will Konzepte – die in dem „beiträge-Band“ hauptsächlich als gescheiterte und verlorengegangene erinnert werden – neu entwerfen.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Bestimmung von Öffentlichkeit als Ort, an dem gesellschaftliche Normen verhandelt werden. „Feministische Öffentlichkeit“ läßt sich als politisches Prinzip formulieren, das zur Selbstfindung von Frauen beiträgt: Sie ist subversiv, indem sie die den Frauen zugeschriebene Beschränkung auf Privatheit durchbricht, ohne sich den „draußen“ herrschenden Normen zu unterwerfen. „Feministische Öffentlichkeit“ macht den Alltag, die Lebenswirklichkeit von Frauen politisch.

Sie thematisiert aber nicht allein Frauenlebenswelt, sondern die „ganze Welt“ aus feministischer Perspektive – ist Schutzraum, nicht aber Ghetto. „Feministische Öffentlichkeit“ verortet sich im Spannungsfeld zwischen Differenz von und Teilhabe an den bestehenden Machtstrukturen, indem sie beide Pole kritisch auf ihren Realitätsgehalt sowie ihre utopischen Potentiale und Gefahren befragt.

Ein solches Konzept von „feministischer Öffentlichkeit“ sagt noch nichts darüber aus, ob es in einer Gesellschaft umsetzbar ist, in der der öffentliche Normsetzungsprozeß nicht von Feministinnen kontrolliert wird. Auch die praxisbezogenen Beiträge in „Femina Publica“ verbreiten keine Euphorie. Doch die Orientierung an einem Konzept, das ein komplexes „Sowohl-als-auch“ zum Grundmuster hat, hilft, vorhandene Öffentlichkeiten differenziert zu beurteilen.

Selbst dort noch, wo es um Bereiche geht, die kaum als feministisch gelten können: Mit „Frauenöffentlichkeit“ bezeichnen die Autorinnen ein Feld, das traditionelle Frauenzeitschriften ebenso einschließt wie die informellen Alltagstreffen von Frauen. Sie ist zumeist nicht „feministisch“, sondern eher herrschaftsstabilisierend. Trotzdem enthält auch „Frauenöffentlichkeit“ das Potential, identitätsbildend und normverändernd zu wirken.

Die Analyse gesellschaftlicher Rahmenbedingungen bleibt hingegen bruchstückhafter als in den „beiträgen“. Vorschläge, mit den Problemen umzugehen, wirken größtenteils hilflos: Die Forderung nach grundsätzlicher Technologiekritik bleibt beispielsweise reiner Appell. Und auch der kurze Abschnitt über Rassismus gelangt über den Aufruf, sich der eigenen Verstrickung in die Herrschaft der Weißen zu stellen, kaum hinaus. Wie beispielsweise hängen Öffentlichkeit und Rassismus zusammen? Gisela Wuttke schreibt in den „beiträgen“ über die Bedeutung, die die Wortwahl der Medien bei der Berichterstattung über die Bevölkerungs-„Explosion“ in der „Dritten Welt“ hat. Nur ein Aspekt unter vielen, doch auch ein Hinweis darauf, wie die Auseinandersetzung mit Rassismus innerhalb „feministischer Öffentlichkeit“ fortgeführt werden könnte.

Auch über diesen konkreten Punkt hinaus erscheint es sinnvoll, auf die Analysen des „beiträge“- Bandes zurückzuverweisen. Betrachtete frau sie aus einem Blickwinkel, der am Konzept der „Femina Publica“-Autorinnen geschult ist, so ließen sich Brüche in der „patriarchalen Medienwelt“ ausmachen. Vielleicht könnten dann auch Freiräume näher bestimmt werden, die eine „realitätsbewußte“ aber phantasievolle „feministische Öffentlichkeit“ in der spätkapitalistisch-postmodernen „Informationsgesellschaft“ schaffen kann.

Feministische Öffentlichkeit – patriarchale Medienwelt: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 14.Jahrgang, Köln1991, Heft 30/31, 247 Seiten, 34 Mark

„Femina Publica: Frauen – Öffentlichkeit – Feminismus“. Herausgegeben von der „Gruppe feministische Öffentlichkeit“, Köln1992, 227 Seiten, 28 Mark

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