■ Israel und die deportierten Palästinenser
: Warten auf den Richterspruch

Während der vergangenen Wochen hat die israelische Regierung nicht nur auf Zeit gespielt. Sie versuchte die Debatte auf ein Terrain zu verlagern, auf dem ihr „Kompromisse“ möglich scheinen, ohne im Grundsatz nachzugeben. Sie behandelt die Lage der Deportierten als „humanitäre Frage“ – die anstehende völkerrechtliche Grundsatzfrage soll in ein juristisches Problem verwandelt werden, das allein im Rahmen des israelischen Rechtssystems entscheidbar ist. Dessen Deportationsbestimmungen sind eine Hinterlassenschaft der britischen kolonialen Notstandsverordnungen aus dem Jahre 1945.

Als symbolische Geste an die Adresse der UNO ließ die Regierung einige schwerkranke Deportierte zur medizinischen Behandlung in den israelisch besetzten Teil des Südlibanon transportieren, einige „irrtümlich“ Deportierte wurden in israelische Gefängnisse zurückgebracht. Im übrigen wurden die Vertreter der UNO mit der Auskunft abgespeist, das Oberste israelische Gericht müsse erst über die im Zeltlager im Libanon verbleibenden 394 Deportierten entscheiden. Die Anwälte der Deportierten verfolgen in diesem Verfahren notgedrungen eine Doppelstrategie: Natürlich bestreiten sie unter Verweis auf internationales Recht grundsätzlich die Legitimität von Deportationen. Zugleich müssen sie sich auf der Basis eben jener als illegal qualifizierten Bestimmungen auf einen Streit mit der israelischen Staatsanwaltschaft einlassen. Bislang ist es – von einer Ausnahme abgesehen – nie gelungen, die Rückkehr von Deportierten zu erreichen. Auf diesen Präzedenzfall berufen sich die Anwälte jetzt. Damals konnten die beiden Betroffenen jedoch lediglich so lange im Lande bleiben, bis ihr Widerspruch – negativ – beschieden wurde. Dann wurden sie erneut deportiert. Folglich argumentieren die Anwälte jetzt, ihre Mandanten hätten zumindest das Recht gehabt, so lange im Lande zu bleiben, bis über ihren Widerspruch in allen Instanzen verhandelt wurde.

Das Oberste Gericht hat in diesem hochpolitisierten Verfahren die Wahl: Es kann sich den kaum widerlegbaren völkerrechtlichen Einwänden gegen die Deportationspolitik anschließen – oder sich zum willfährigen Instrument der israelischen Regierungspolitik machen lassen. Die Richter werden in den nächsten Tagen oder Wochen nicht nur über das Schicksal der Deportierten entscheiden. Sie haben auch die Chance, zu beweisen, daß es in Israel noch eine unabhängige Justiz gibt. Falls sie den Stab über die Deportationspolitik brechen sollten, brächten sie der Regierung Rabin zwar die erste große Niederlage bei, würde ihr aber eine möglicherweise ernste Konfrontation mit dem UN-Sicherheitsrat ersparen. Nina Corsten