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Statt „Dagobert“ nur Wissenschaftler gefangen

■ Australier von Polizei mit Erpresser verwechselt/ Opfer verläßt Deutschland

Berlin. Der Kaufhauserpresser „Dagobert“ war das Fahndungsziel der Polizei, zu Schaden aber kam ein Unschuldiger: Bei der Aktion vor einer Woche, bei der 2.300 Polizisten mehr als 3.000 Telefonzellen überwachten, wurde der 35jährige australische Wissenschaftler Paul Harrison von Zivilbeamten zu Boden geworfen und am Rücken und Ellenbogen verletzt und mußte im Krankenhaus behandelt werden.

Der Politologe hält sich seit dem 15. Januar in Deutschland auf und wollte im Rahmen eines Forschungsstipendiums am Otto- Suhr-Institut für Politikwissenschaft über ein sozialphilosophisches Thema forschen. Jetzt will der von Deutschland enttäuschte Wissenschaftler, der auch eine Entschuldigung des Einsatzleiters der Polizei nicht akzeptierte, noch diese Woche Deutschland verlassen und sein dreimonatiges Stipendium aufgeben.

Axel Honneth, Professor für Politische Philosophie an der Freien Universität, der das Forschungsvorhaben Harrisons betreuen wollte, erklärte, daß sein Stipendiat das „Gefühl der Angst“ einfach nicht wieder loswerde. Zumal Harrison im Gespräch mit anderen Ausländern, die hier in Berlin leben, erfahren habe, daß die Polizei mit Ausländern generell nicht gerade zimperlich umgehe. Honneth kritisierte, daß den Berliner Zivilpolizisten eine „angelernte Sensibilität und Fingerspitzengefühl“ fehlten. Offensichtlich, sagte Honneth, werde bei derartigen Fahndungseinsätzen von vornherein von „Belästigungen in drastischer Weise“ ausgegangen. Zwar sei die Einsatzleitung der Polizei, die sich bei Harrison mit einem Blumenstrauß und einer Briefkarte entschuldigt habe, sichtlich beunruhigt und kooperativ gewesen, aber dennoch müsse nach den tieferen Ursachen dieses Vorfalls gefragt werden. Honneth hat Harrisons Bericht, indem das Vorgehen der Polizei mit einem Raubüberfall verglichen wird, der Ausländerbeauftragten Barbara John zugesandt. Wie ein Referatsleiter der Ausländerbeauftragten mitteilte, könne man sich zur Zeit dazu nicht äußern, da noch nicht alle Stellungnahmen eingeholt worden seien.

Der zuständige Inspektionsleiter der Ermittlungskommission, Detlef Büttner, bedauerte den Vorfall, widersprach aber vehement dem Vorwurf, die Polizei habe ausländerfeindlich gehandelt. Harrison habe sich offensichtlich überfallen gefühlt und durch die Sprachbarriere hätte das Mißverständnis nicht rasch aufgeklärt werden können. Der Polizeibeamte: „Sensibler können wir doch gar nicht sein, und hier ging es um schnelles Handeln.“ Rüdiger Soldt

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