„Schieflage“ beim Solidarpakt erkannt

■ Annäherungen sowohl zwischen Bund und Ländern als auch zwischen SPD und CDU/ Suche nach neuen Geldquellen: Einsparungen, Zuschläge oder höhere Steuern?

Bonn (taz) – Im Reigen der „Solidarpakt“-Gespräche, die jetzt in Gang gekommen sind, wird das Treffen der Länderministerpräsidenten beim Kanzler besonders wichtig sein. Es wird, so verabredeten am Dienstag Oskar Lafontaine und Kurt Biedenkopf mit Kohl, am nächsten Mittwoch stattfinden. In dieser ersten Runde sondierten die Länderchefs aus Sachsen und dem Saarland mit Kohl und Finanzminister Waigel (CSU) den Spielraum bei Kürzungen und Umschichtungen. Obwohl es erwartungsgemäß nicht zu verbindlichen Ergebnissen kam, zeigen sich sowohl in der Bund-Länder-Front wie auch der zwischen SPD und CDU durchaus Annäherungen.

Als wichtigste Bedingung für die SPD nannte Lafontaine nach dem Gespräch erneut die Beseitigung der „sozialen Schieflage“. Gestritten werde nicht, ob der Solidarpakt zustande kommt, sondern wie er aussieht, meinte Kurt Biedenkopf nach dem Treffen. Der sächsische Regierungschef sieht im Konzept der Bundesregierung eine Verhandlungsgrundlage, die allerdings noch verändert werden müsse.

Biedenkopf begrüßte, daß mit der Festlegung auf eine jährliche Transferleistung von 110 Milliarden Mark in den Osten der Streit um den Umfang der Leistungen nahezu beendet sei. Vor einem halben Jahr habe es noch große Differenzen darum gegeben, wieviel Geld in die neuen Bundesländer gehen müsse. Sein erster gravierender Einwand bezieht sich auf die Verschuldungsentwicklung für die neuen Länder, die Waigel bis 1996 auf 100 Prozent der Westververschuldung ansteigen lassen will. Die Steuer- und Wirtschaftskraft läge bis dahin noch weit unter der im Westen, die neuen Länder brauchten Kreditfähigkeit zur Entwicklung ihrer Infrastruktur, „sonst investiert niemand“. Der Nachtragshaushalt 1993, der gerade 1,5 Milliarden Investitionspauschale für die Gemeinden vorsieht, müsse deshalb „nachhaltig überarbeitet“ werden. Biedenkopf und die anderen ostdeutschen Länder hatten im Dezember für den Nachtragshaushalt 8 Milliarden Mark gefordert. Zur Diskussion um die „Schieflage“ verwies Biedenkopf auf die „enorme Leistung der westdeutschen Leistungszahler“. Die Sozialversicherungen transferierten die größte der aus den laufenden Einkommen (also nicht über Kredite) finanzierten Summe in den Osten. Die Frage nach der Schieflage sei also „berechtigt“.

Bliebe es bei diesem Volumen, müßten die Nichtleistungszahler belastet werden. Eine solche Arbeitsmarktabgabe für Selbständige und Beamte verlangt die SPD. Biedenkopf nannte den anderen und von ihm bevorzugten Weg zur Beseitigung der Schieflage: Danach müßten die Sozialversicherungsträger von der Hälfte der „versicherungsfremden“ Ausgaben freigestellt werden. Der Finanzausfall müsse ausgeglichen werden. Der Vorschlag, dafür auf das Mittel des Solidarzuschlags als sozial gerechtes Instrument zurückzugreifen, steht der SPD nicht fern.

Auch bei der Finanzierung der Mittel für die ostdeutschen Länder im Nachtragshaushalt 93 will Biedenkopf „kein Tabu“ gelten lassen. Sollten Einsparungen nicht ausreichen, müsse die Verschuldung in den Westen umgeschichtet werden, falls das nicht geht, müsse über zusätzliche Einnahmen diskutiert werden. Gegen den vor allem von der FDP immer wieder genannten Einwand, Steuererhöhungen seien Gift für die Konjunktur, führte Biedenkopf an, eine mittelfristig ungeklärte Entwicklung hätte schlimmere Wirkungen auf die Konjunktur als ein Solidarzuschlag. Tissy Bruns