piwik no script img

Behörde soll Schulleiter zur Räson bringen

■ Samuel-Heinicke-Schule: Oberschulrat bittet um Aufhebung des Hausverbots für gehörlose Mitarbeiterin / Eltern Geduld am Ende

Oberschulrat bittet um Aufhebung des Hausverbots für gehörlose Mitarbeiterin / Eltern Geduld am Ende

Im Streit um die gehörlose Mitarbeiterin an der Samuel-Heinicke- Schule hat sich die Behörde zunächst hinter die Schulleitung gestellt. Wie berichtet, war der gehörlosen Jutta Schwarz vorigen Donnerstag von Schulleiter Georg Männich schriftlich untersagt worden, das Gelände der Schule zu betreten. Es habe eine „bindende Absprache“ gegeben, daß die ABM- Kraft im Unterricht lediglich hospitiere und nur im „außerunterrichtlichen Bereich tätig wird“, erklärte Oberschulrat Jürgen Wurst gegenüber der taz. Die Schule soll nun einen Brief von der Behörde bekommen mit der Bitte, „die Unterbrechung der Tätigkeit von Frau Schwarz wieder aufzuheben“, wenn sie sich an obige Absprache hält.

Professor Siegmund Prillwitz vom Zentrum für Gebärdensprache bezeichnet die Darstellung der Behörde als „schlichtweg falsch“. „Wir brauchen keine Gehörlose, die hospitiert, wir brauchen eine, die mitarbeitet.“ Jutta Schwarz sei der Schule ausdrücklich als Mitarbeiterin für den Bilinguismus-Schulversuch zur Verfügung gestellt worden, weil es noch keine ausgebildeten gehörlosen Lehrer gebe. Eltern, Schulkonferenz und Klassenlehrerin hätten dem zugestimmt. Lediglich Schulleitung und Teile des Kollegiums würden sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben. Die Behörde müsse jetzt „entweder den Schulleiter zur Räson bringen oder sich vom geplanten Schulversuch distanzieren.“

Zum Hintergrund: Da gehörlosen Menschen die Sinne für das Erlernen der oralen Lautsprache fehlen, fordern Sprachwissenschaftler parallel den Unterricht in Gebärdensprache. Nur 300 von 60000 Gehörlosen in Deutschland, so Prillwitz, könnten so sprechen, daß Außenstehende sie verstehen. Mit der Reduzierung auf Lautsprache würden Gehöhrlose intellektuell entmündigt. Die Mitarbeit von gehörlosen Erzieherinnen im benachbarten Vorschulkindergarten hatte gute Erfolge gezeigt. Um die Fortführung in der jetzigen Klasse1a ist im Kollegium der Wandsbeker Schule für Gehörlose ein regelrechter Grabenkampf entstanden.

Anlaß für neue Hoffnung könnte vielleicht ein Wechsel in der Behördenspitze geben. Seit vorgestern ist Oberschulrat Walter Hurling für Gestaltungsfragen an Sonderschulen zuständig. Hurling will demnächst einen Brief an alle Beteiligten aufsetzen, im dem die Bedingungen für den Schulversuch erläutert werden. „Wenn man unter der Vermeidung von Reizwörtern beschreibt, was man mit den Kindern in der 1.Klasse machen will“, so Walter Hurling, könnte es vielleicht gelingen, beide Seiten auf einen Nenner zu bringen. Die Notwendigkeit, die Gebärdensprache mehr zu fördern, sei unstrittig.

Doch den Eltern fehlt mittlerweile die Geduld. Ist es doch unerträglich für sie, zu wissen, daß ihr Kind in einer Sprache unterrichtet werden soll, die es gar nicht verstehen kann. „Wenn der Schulversuch im nächsten Schuljahr nicht läuft“, so Prillwitz, würden sich die Eltern nach einer Schule umsehen, die bereit wäre, den Bilinguismus zu erproben. Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen