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Ich küsse keine Pelztiere Von Thomas Pampuch

Eine Angst geht um in Bayern, in Sonderheit dem weiblichen. Bedrohliches braut sich in München – seit einiger Zeit heimliche Hauptstadt der politischen Plakatkunst – zusammen. Da verkündet ein Mann im Schießer- Baumwoll-Leibchen, düster, entschlossen und nachgerade ultimativ, von jeder zweiten Wand: „Ich küsse keine Frau im Pelz.“ Der Mann heißt Uwe Ochsenknecht, ist schon deshalb eingeschworener Tierfreund und wirbt mit der ganzen Autorität, die ihm durch seine geglückte „Schtonk“-Rolle als Kujau-Hitler zugewachsen ist, für Animal 2000, die Tierversuchsgegner Bayerns. Keine Frage, der Mann meint es gut, und er meint es ernst. Wie überhaupt die Tierversuchsgegner eine jener erfrischend radikalen Single-issue-Bewegungen sind, die die politische Kultur in der postrevolutionären Buntsrepublik so mannigfaltig beleben. Eine Legion von Prominenten und solchen, die es werden wollen, ist sich, und das finden wir alle prima, nicht zu schade, öffentlich und gratis (oder sogar mit beigelegter Spende) zu sagen, wofür und wogegen sie sind. Meist sind sie für das Gute und gegen das Schlechte. Artists United für Nature, Ärzte gegen den Atomkrieg, Rocker gegen Rechts, Laienpriester für das Leben und so fort. Bisweilen versammeln sie sich auf diesen ganz- oder halbseitigen Anzeigen für oder gegen was ganz Wichtiges zu Tausenden im Kleindruck mitsamt akademischen Graden von A bis Z, und man kriegt vom vielen Nachlesen, ob jemand dabei ist, den man kennt, eine Sehschwäche. Und dann schämt man sich, daß man selber wieder nicht dabei ist, und trägt die gesparten paar Märker betrübt und reuevoll für die Lesebrille in die nächste Fielmann-Filiale.

Jetzt aber, wie gesagt, hat Animal 2000 (nachdem sie uns jahrelang mit Horrorbildern von Tierversuchen zu Recht gequält haben) im plakativen Politanzeigengeschäft den echt persönlichen Dreh gefunden. Aus den Prominenten ist noch viel mehr rauszuholen. Jetzt wird geklotzt. Der neue demokratische gesellschaftliche Diskurs (Habermas?) überschreitet den platten Ablaßhandel und wird zum veritablen Coming-out. Hosen runter, Leibchen rauf, Ihr Großen dieser Welt. Mit wem treibt Ihr's, worin, worauf, warum und vor allem, warum nicht? Wie sieht Eure private erotische Ökobilanz aus? Baumwolle (Aralsee-Versandung, Lohnsklaverei in Singapur) oder Pelz (KZ-Nerze, Massentierhaltung), Nylon (Chemie) oder Leder (Gülle plus Chemie)? Jetzt heißt es Textil bekennen, Konsequenzen ziehen – oder wenigstens androhen. Wirkliche Prominenz beweist sich heute im ideologisch begründeten erotischen Material-ismus.

Arme Münchner Maderl. Schlimmes steht Euch bevor, wenn Ochsenknecht Schule macht: Franz Beckenbauer: „Ich kugle mich mit keiner Frau in Leder.“ Boris Becker: „Ich knutsche keine Frau in Nylon.“ Theo Waigel: „Ich geh' keiner Frau an die Seidenwäsche“ (Finanzminister gegen Seidenraupenmißbrauch). Ein kalter einsamer Wind wird Euch umwehen. Und Ihr werdet klagen: „Am besten, mir gehn nackert, daß uns übahaupts no wer mog. Wiastas machst, machstas foisch. Des is hoit des Gschiß mit dera singl isschu Ökorotik.“

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