: Abschiebung von Kurden
■ Behörde macht keine Einzelfallprüfung hinweg
Einen Abschiebestopp für Kurden aus der Türkei gibt es bundesweit nicht mehr. Dennoch hatte sich der Bremer Landtag einmütig gegen deren Abschiebung ausgesprochen. Innensenator Friedrich van Nispen hatte seinen Behörden im Dezember die „sorgfältige Prüfung“ im Einzelfall verordnet, ob „Abschiebungshindernisse insbesondere nach § 53 und 55 des Ausländergesetzes vorliegen“ (z.B. bei Gefährdung von Leib und Leben).
Dies geschieht anscheinend nicht: Gestern nahmen sie den aus Bingöl stammenden türkischen Kurden Mehmet Cibuk in Abschiebehaft. Sein Anwalt Hans-Eberhard Schultz fand weder im Protokoll der Anhörung noch im Antrag auf Abschiebung Ausführungen dazu, daß sein Mandant nach Abschiebungshindernissen gefragt wurde. Mehmet Cibuk habe jedoch ausdrücklich auf den Krieg in Kurdistan hingewiesen, betont Schultz, und weiter: „Ich muß davon ausgehen, daß entgegen der Zusage des Senators eine Prüfung nicht stattgefunden hat und offenbar auch gar nicht beabsichtigt ist.“
Der Rechtsanwalt teilt der Ausländerbehörde deshalb die neuen Asylgründe seines Mandanten mit: Mehmet Cibuk habe von seinem Bruder erfahren, daß er in der Türkei gesucht wird, weil er gegen die Massaker in der Türkei vor dem türkischen Generalkonsulat in Hannover protestiert hatte. Seinem Vater seien Fotos von ihm mit Transparent in der Hand vorgelegt worden, der Vater sei verhört, wiederholt zur Wache geschleppt und geschlagen worden, um die Adresse des Sohnes herauszugeben. Von seinen Aktivitäten in Bremen hätten die Sicherheitskräfte höchstwahrscheinlich auch erfahren. Sein Mandant dürfe deshalb nicht abgeschoben werden.
Auch im Fall des türkischen Kurden Fayik Begkondu wurden dessen Argumente bisher offenbar nicht gehört: Der Mann sitzt seit anderthalb Wochen in Abschiebehaft, obwohl seine schwangere Ehefrau mit drei Kindern noch für fünf Monate eine Aufenthaltserlaubnis haben. Die Familie hatte 1990 gemeinsam Asyl beantragt. Hier wird gegen das Grundrecht auf Schutz der Familie und die Behördenzusage, Familien nicht auseinanderzureißen verfahren. Fayik Begkondu ist seit neun Tagen im Hungerstreik. ra
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