: Aribert Galla bald auf der Anklagebank
■ Schwarzgeldklinik: Staatsanwalt legt nach 5jähriger Ermittlungsarbeit 416 S. Anklage vor
Erleichterung — dies war das Stichwort, mit dem Generalstaatsanwalt Hans Janknecht die 416 Seiten starke Anklageschrift gegen Aribert Galla gestern auf den Tisch packte. Erleichterung vor allem, weil sich das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Chef der St.Jürgen-Klinik zum größten, längsten und schwierigsten in der Geschichte der Bremer Staatsanwaltschaft entwickelt hatte. Jetzt steht die Anklage - wegen Bestechlichkeit und fortgesetzter Untreue. Damit kann im Bremer Klinikskandal, der als „Schmiergeldaffäre“ das größte Bremer Krankenhaus zur „Schwarzgeldklinik“ stempelte, das gerichtliche Nachspiel beginnen.
Fünf Jahre hat es gedauert, bis die Ermittlungsergebnisse zur Anklage reichten. „Dazu bin ich Erläuterungen schuldig“, betonte Janknecht und nannte Zahlen: 60 Verfahren gegen 59 Beschuldigte; 800 Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten; Briefwechsel mit 1.100 Firmen; 155 Durchsuchungen, davon 50 bei Banken; Durcharbeiten von 30.000 Seiten in 530 Akten; sechs Rechtshilfeersuchen an Großbritannien (2), Dänemark und Frankreich (3).
Ergebnis: 42 Verfahren wurden abgeschlossen, davon wiederum 10 wegen Geringfügigkeit und 29 mangels Beweisen eingestellt. Nur in vier Fällen „aktiver Bestechung“ lägen Geständnisse vor. Alle anderen Geldflüsse hätten in mühsamer Kleinarbeit über Kontobewegungen nachgewiesen werden müssen: Scheinrechnungen und Scheinfirmen wurden dabei aufgespürt. 1,06 Millionen Mark „deliktische Gesamteinnahmen“ schreibt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Aribert Galla zu. Davon, der Generalstaatsanwalt erzählt dies mit Genugtuung, seien im Lauf der Ermittlungen 800.000 Mark sichergestellt worden. Was damit geschehen soll, werde das Gericht befinden. Nach Auskunft Janknechts „unterliegt das Geld dem Verfall“ und wird eingezogen.
Details wollte Hans Janknecht, der zusammen mit dem zuletzt ermittelnden Staatsanwalt Volker Dützschhold vor die Presse trat, aus dem Ermittlungsverfahren nicht preisgeben — zumal eine Veröffentlichung der Anklageschrift vor Prozeßbeginn strafbar wäre. Nach Geständnis und Erklärungen Aribert Gallas befragt, sagten sie lediglich: „Galla erklärt alles.“
Erst Monate nach seiner Auslieferung (Galla war beim Versuch, ein französisches Konto zu räumen, in St. Malo verhaftet worden) hatte er im März 1991 einige Aussagen gemacht: Er habe sich nicht bereichert und nur zum Wohle des Krankenhauses (am Parlament und der Haushaltsordnung vorbei) in „graue Kassen“ gewirtschaftet.
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei waren daraufhin zur Ermittlung gezwungen, ob Galla tatsächlich so altruistisch oder eben doch eigennützig handelte. „Galla hatte Pech, daß er Beamter und nicht Manager der freien Wirtschaft war“, bemerkte der Generalstaatsanwalt mit deutlichem Sarkasmus.
Wegen der Galla-Affäre mußten der frühere Gesundheitssenator Herbert Brückner und Senatsrat Hans-Helmut Euler ihre Posten räumen. Zwei Jahre lang hatte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß den Skandal aufgerollt. Die Staatsanwaltschaft ließ auf Nachfrage gestern durchblicken, daß ihre parallelen Ermittlungen dadurch zumindest „gestört“ wurden: Mögliche Beschuldigte seien vorzeitig gewarnt worden. Im Untersuchungsausschuß sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft außerdem einige Falschaussagen gemacht worden. Entsprechende Verfahren seien eingeleitet.
ra
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