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Teufelskraut und Kifferwahn

■ Das Checkpoint-Kino präsentiert in diesem Monat die debilsten Aufklärungsfilme aller Zeiten

Filme, die dies oder jenes propagieren, Filme, die vor diesem oder jenem warnen möchten, kehren sich meist amüsiert gegen ihre eigenen Intentionen: nach Filmen, in denen ausgiebig gefickt wird, möchte man am liebsten enthaltsam leben, nach keuschen Filmen erwacht das Begehren. Und während man nach kifferfreundlichen Streifen am liebsten für immer den weichen Drogen entsagen möchte, weil die dafür verantwortlichen Regisseure, Schauspieler, die Filmhelden und das Publikum in „Viel Rauch um nichts“ (aber auch in „Naked Lunch“) etc. usw. so offensichtlich in Folge ihres Drogenkonsums regrediert sind, greift man nach aufklärerischen Antihaschischfilmen wieder gern zum Pfeifchen. Faustregel bei Aufklärungsfilmen im Allgemeinen: was abschrecken soll, ist entweder lächerlich oder anziehend, was anziehen soll, stößt ab.

Das Checkpoint-Kino, mittlerweile eine der besten Adressen für die ironischen Liebhaber seltsamen Trashs, präsentiert im Februar „die debilsten Aufklärungsfilme aller Zeiten“, wie es sich gehört und zum Schutze der Jugend im Mitternachsprogramm. Schon die Titel versprechen ungetrübtes Vergnügen: „Sex Madness“, „Kifferwahn“, „Marihuana – The Devils Weed“ oder schlicht und einfach „Mary Jane“.

Leider sind die Gefahren des Geschlechtstriebes etwas unterrepräsentiert. Mit dem 1937 gedrehten „Sex Madness“ hat der Organisator Carl Andersen (auch er hat einen sehr schönen Sex-B-Film gemacht – „Mondo Weirdo“) allerdings eine wahre Rarität ausgegraben, die übrigens in deutscher Erstaufführung läuft. Sehr überzeugend warnt „Sex Madness“ vor dem Untergang der Volksmoral durch den unkontrollierten Sextrieb. Liebeshungrige Mädchen vom Lande werden gebeten, sich dem libertinären Großstadtsumpf zu verweigern; junge Männer sollten sich lieber nicht vom bösen Trieb übermannen lassen. Des weiteren geht es um Liebe im Büro, bereuende gefallene Mädchen und den bösen Mann von nebenan. Liebhaber rührend mißglückter Filme werden bei Ed Woods „Glen or Glenda?“ die Wahrheit über das unglaubliche Leben der Transvestiten erfahren; in erster Linie jedoch geht es dem Checkpoint-Kino in seinem Mitternachtsprogramm darum, junge Menschen vor teuflischen Drogen wie Marihuana oder Haschisch zu warnen.

Ein Klassiker des durchgedrehten Antidrogengenres ist der 1936 von der Polizei mitproduzierte „Reefer Madness – Kifferwahn“, der in den Vereinigten Staaten mittlerweile Kultstatus besitzt. Bereits nach dem schüchternen Anfängerzug am Joint erscheint hier die Welt ganz seltsam, irre rollen die Augen, geübte Tennisspieler verfehlen den Ball auf lächerlichste Weise, schamhafte Teenager stürzen sich begeistert in ausschweifende Orgien. Ehebruch, Mord, Wahnsinn, Tod und schlechtes Benehmen sind die unausweichlichen Folgen, an die allzu neugierige Teenager doch lieber denken sollten, bevor sie vom „Teufelskraut“ naschen.

Ähnlich phantasievoll und interessant gestaltet sich die Wirklichkeit eines jungen Mädchens nach dem ersten Zug in dem 1936 gedrehten „Devils Weed“. Neben wildesten Parties besticht vor allem die besonders pfiffige Schilderung diverser Marihuana-Entzugserscheinungen, die komischerweise auch in dem eher haschisch- freundlichen 1968 entstandenen „Mary Jane“ thematisiert werden.

„Mary Jane“ ist eine Art Bildungsroman. Am Anfang ist der Held, ein junger Lehrer (gespielt von dem eher erfolglosen Elvis- Imitator Fabian) noch befangen in liberalen Vorstellungen: er weigert sich, seinen marihuanasüchtigen Schülern hinterherzuspionieren, er gesteht im Lehrerzimmer, sich schon mal selber Haschisch gespritzt zu haben und außerdem hängt ein „Flower-Power-Poster“ in seiner Bude. Am Ende sorgt er ziemlich rachsüchtig für Ordnung. Neben tollen Splatterfarben, lustig typisierten Rauschsequenzen, manischen Vorurteilen, rasanten Verfolgungsfahrten besticht der Film vor allem durch die besonders schäbigen Charaktere seiner haschisch- resp. marihuanasüchtigen Schul-Dealer. Abschreckender als der mit einer pausbäckig-aggressiven Gesundheit protzende Antiheld des Films, der an das widerwärtige Gesicht des kleinen Jungen auf der Hansano-?, Müller- Milch-Packung? erinnert, ist das „Böse“ nie dargestellt worden. (Dafür wird es auch mit einem ziemlich beeindruckenden Law- and-Order-Sadismus seinem verdienten Schicksal überlassen.) Detlef Kuhlbrodt

Heute: „Reefer Madness – Kifferwahn“; 12./13.2.: Doppelprogramm „Marihuana – Devils Weed“ und „Mary Jane“; 20. und 27.2.: „Sex Madness“; „Glen or Glenda“, 27.2., jeweils 24 Uhr im Checkpoint, Leipziger Straße 55, Mitte

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