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Ein neuer Kahn für die Königin Von Ralf Sotscheck

Liest John Major die taz? Jedenfalls hat der britische Premierminister prompt auf unsere Forderung vom vergangenen Mittwoch reagiert: Er will Königin Elisabeth eine neue Yacht im Wert von 80 Millionen Pfund spendieren, nachdem das Verteidigungsministerium den königlichen Kahn „Britannia“ aus Altersgründen als Reserve-Militärkrankenhaus ausgemustert hat. Was nicht gut genug für die Armee ist, kann auch nicht gut genug für die Queen sein! Freilich hat das Geschenk ein paar Haken: Sie muß es sich nicht nur mit den Kapitänen der Industrie teilen, die das neue Boot als Konferenzzentrum mieten können, sondern es ist auch kleiner als die „Britannia“, weil eine Yacht in dieser Größe 200 Millionen Pfund gekostet hätte. Das ist aufgrund der Rezession und der angeschlagenen Popularität der Windsors aber nicht drin. Doch selbst der schlichte Kahn hat bereits Kritiker auf den Plan gerufen. Sie bezeichneten das Projekt als „überflüssige Extravaganz“ und wiesen darauf hin, daß man für das Geld 500 Schulen reparieren oder zwei neue Krankenhäuser bauen könnte. Was soll die Queen aber mit zwei Krankenhäusern? Sie stimmt mit Major darin überein, daß eine königliche Yacht „eine Notwendigkeit und kein Luxus“ sei. Ein Regierungsbeamter ist sogar davon überzeugt, daß der schwimmende Palast die britische Schiffbauindustrie aus der Talsohle führen werde. Und nicht nur das: Wenn die einheimischen Unternehmen den Kahn mieten können, um Produktwerbung zu betreiben, werden die Exporte unweigerlich in die Höhe schnellen. Das Gerücht, daß die Queen im Mietpreis inbegriffen sei, um zum Beispiel für „Bristol Cream Sherry“ Reklame zu machen („Wenn ich meine mißratenen Kinder vergessen will, greife ich stets zu hundert Prozent britischem Hochprozentigen“), wies ein Palastsprecher jedoch energisch zurück. Statt dessen hat die Königin eine andere Einkommensquelle aufgetan. Sie will die Sun auf Schadenersatz verklagen, weil das Boulevardblatt ihre Weihnachtsansprache geklaut und zwei Tage vor dem Fest abgedruckt hat. Dadurch sei den Untertanen im gesamten Commonwealth das Weihnachtsfest verdorben worden — ihre Rede sei für das Volk schließlich der Höhepunkt der Feiertage, behauptete die Queen bescheiden. Doch diesmal haben sich drei Millionen Menschen weniger als im Vorjahr das königliche Gewinsel über das „annus horribilis“ angetan. Es ist nicht das erste Mal, daß die Sun den Windsors finanziell unter die Arme greift. 1988 hat das Gurkenblatt ein Foto von Prinzessin Fergie mit Tochter Bea aus Prinz Philips Privatalbum entwendet und abgedruckt. Immer noch ist unklar, wie sie an das Bild herangekommen ist. Jedenfalls mußte die Sun 100.000 Pfund an mildtätige Organisationen zahlen. Den für den Redenklau zu erwartenden Geldsegen sollte sie in ihr neues Boot stecken, will die Regierung doch die Einrichtung aus der 40 Jahre alten „Britannia“ wiederverwerten. Die neue Yacht soll übrigens erst in zehn Jahren vom Stapel laufen. Hoffentlich macht die Queen noch solange, sonst reißt sich der Thronfolger das Schiff unter den Nagel, um sich auf hoher See ungestört mit seiner Freundin Camilla Parker-Bowles über Watteprodukte unterhalten zu können.

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