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"Der Staub soll sich nicht mehr setzen"

■ Im kroatischen Zagreb berieten Frauen aus sechzehn europäischen Staaten und den USA im Rahmen der Veranstaltung "Internatonale Frauen-Solidarität" über mögliche Maßnahmen gegen die fortgesetzte...

„Der Staub soll sich nicht mehr setzen“

Der Eklat war vorherzusehen. Doch es kommt auf den Weg an. Da ist zwar jetzt Staub aufgewirbelt worden, aber der wird sich setzen.“ Die dies sagte, muß es wissen. Bosiljka Schedlich, eine der im Hintergrund wirkenden Mitorganisatorinnen des Kongresses „Internationale Frauen-Solidarität“, der gestern in der Lisinski-Halle in Zagreb stattfand, war vom Verlauf der Tagung nicht überrascht. Schließlich herrsche Krieg.

Schon gleich zu Beginn der Veranstaltung, an der rund 600 Frauen aus Ost und West teilnahmen, kam es zum Krach. Als eine kroatische Theatergruppe, die für französische Künstlerinnen eingesprungen war, das „serbisch-trojanische Pferd“ als Aggressor in den Mittelpunkt ihres Spektakels stellte, intervenierte die Hauptinitiatorin der Veranstaltung, die deutsche Fernsehjournalistin Lea Rosh, mit harschen Worten. Denn nicht zu Unrecht wurde von vielen der Teilnehmerinnen die Ansprache der Theaterfrau Ivica Boban als Agitation empfunden.

Es war wohl nicht so sehr der Inhalt, den viele Teilnehmerinnen aus dem Ausland ablehnten, es waren die Sprache und der Gestus, die noch zu sehr an vergangene sozialistische Zeiten erinnerten. Den Inhalt benannte später Lea Rosh in ihrem Statement dann selbst. „Vergewaltigungen sind Erscheinungen eines jeden Krieges. Wir wissen in diesem Kriege aber schon jetzt von Lagern und Bordellen – das ist Genozid vor allem am bosnischen Volk.“

Und gleichzeitig verdeutlichte sie, daß die Haupttäter, die Vergewaltiger, die „serbischen Milizionäre“ seien, nicht aber „die Serben insgesamt“. Was also die internationalen Teilnehmerinnen zu Anfang störte, war, wie die kroatische Künstlerin diesen Inhalt präsentierte.

Viele Frauenprojekte hatten sich distanziert

Aus mindestens sechzehn europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten waren sie gekommen, Politikerinnen und Künstlerinnen– unter ihnen die österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal, die Politikerinnen Hanna Renate Laurien und Jutta Limbach aus Berlin, Maria Jebsen, die evangelische Bischöfin aus Hamburg, Denis Fuchs aus Frankreich, aber auch viele Vertreterinnen autonomer Frauenprojekte aus ganz Europa – und das, obwohl gerade in der Bundesrepublik Deutschland viele autonome Projekte sich distanziert hatten. Rita Süssmuth und Simone Weil waren dagegen nicht erschienen.

Auf dem Podium waren zu guter Letzt auch eine Kroatin und eine Bosnierin dabei. Mit der Teilnahme der Bosnierin Aida Daidžić und der Kroatin Slaviza Belić mußten die Veranstalterinnen ein Zugeständnis machen; im Vorfeld der Zagreber Veranstaltung war es zu heftigen Kontroversen mit der kroatischen Seite in dieser Frage gekommen, so daß die ganze Tagung fast gefährdet schien. Slavica Belić faßte die Verbitterung der meisten Kroatinnen diplomatisch, aber deutlich zusammen: „In Ihrer Heimat ist es üblich, daß die Gastgeber die Gäste begrüßen. Das ist uns heute hier in Zagreb nicht gewährt.“

Bedauern über den Auszug der Kroatinnen

Auch daß eine Bosnierin teilnehmen durfte, war erst im letzten Augenblick entschieden. Und auch das Problem, eine Serbin sprechen zu lassen, wurde während der Veranstaltung gelöst. Denn gerade dieser Punkt hatte ja bei der Vorbereitung zu erbitterten Kontroversen geführt. Indem eine für Ungarn sprechende Feministin der US-amerikanischen Serbin Vesna Bosić ihre Redezeit überließ, kamen letztlich doch alle am Krieg beteiligten Nationen zu Wort. Dennoch führte gerade dies zum Eklat. Verschiedene kroatische Frauen, darunter auch die Mitarbeiterinnen des SOS-Notrufs Zagreb, verließen empört den Tagungssaal.

Dabei wäre es für sie sicherlich nicht uninteressant gewesen, der Serbin Belić zuzuhören. Denn sie grenzte sich explizit im Namen serbischer Frauengruppen (Frauen in Schwarz, Belgrader Frauenlobby) von der aggressiven Politik Serbiens ab. „Wir haben verstanden, daß die ethnischen Säuberungen Ziel dieser Politik sind. Viele von uns haben Schuldgefühle angesichts dieser Verbrechen.“ Mit großem Beifall wurden diese Sätze von den meisten der ausländischen Frauen erleichtert aufgenommen, zeigen sie doch, daß die serbischen Feministinnen sich zu einer klaren und kritischen Position durchgerungen haben. Andererseits wurde der Auszug der Kroatinnen bedauert, zeigte er doch, wie schwierig es ist, einander zuzuhören. „Redefreiheit als eine Grundregel der Demokratie muß respektiert werden“, wurde von vielen Teilnehmerinnen gefordert.

Nach all den Aufregungen ging es doch noch um das eigentliche Hauptthema der Veranstaltung. Als die Schauspielerin Rosemarie Fendel Zeugenaussagen aus dem Bericht der Menschenrechtsorganisation amnesty international vorlas, herrschte betroffenes Schweigen im Raum. Denn damit wurde bewußt, daß die Verbrechen in dieser Minute weitergingen.

In der Resolution wurden denn auch die Hauptforderungen formuliert, die sich auf dieses Geschehen beziehen: sofortige Schließung aller Lager und die Befreiung aller gefangenen Frauen. Die Täter sollen vor einem internationalen Gerichtshof als Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden. Und dieser soll so schnell wie möglich eingerichtet werden. Denn, so der Wunsch vieler Teilnehmerinnen, der über die Verbrechen aufgewirbelte Staub soll sich in der Öffentlichkeit nicht mehr setzen. „Dafür werden wir Frauen kämpfen.“ Karin Flothmann/

Erich Rathfelder, Zagreb

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