: Der Stahl in Deinem Saab
■ Betr. Gastkommentar von Jo Müller, taz vom 6.2.1993
Lieber Jo, Dein glühendes Plädoyer für die endgültige Schließung der „Hütte am Meer“ offenbart mir nur Deinen industriepolitischen Denkstillstand, seitdem Du Dich mehr in Form von Pamphleten mit diesem Thema beschäftigt hast. Die Bedeutung von Stahlprodukten für die Zukunft der umweltverträglichen Wirtschaftsgesellschaft hast Du immer noch nicht begriffen. Dabei könntest Du Deine Stahl-Aversion überwinden, wenn Du Deine tägliche Verflechtung mit diesem Projekt kontrollieren würdest. Du willst sicherlich auch in Zukunft Dein exklusives SAAB-Automobil fahren. Und das sei Dir dank der Stahlindustrie auch gegönnt. Durch Weiterentwicklung dieses Typs und die Veredelung der dazu eingesetzten Bleche ist seine Rostanfälligkeit übrigens stark reduziert worden. Wenn Du mit betriebswirtschaftlicher Spitzfindigkeit dieses Gefährt abgeschrieben haben wirst, wird es noch lange nutzbar sein. Übrigens, auch der Anteil an Plastik ist zugunsten von Stahl wieder erhöht worden. Wie Du siehst, Stahl ist ein Werkstoff der Zukunft, denn er kann als Schrott wiederverwendet werden. Schau Dich doch mal in den Dienstleistungskathedralen in Hamburg um. Überall stößt Du auf den Einsatz moderner Stahlprodukte.
Ist es nicht vernünftig, den Einsatz von Beton bei Autobahnbrücken und Eisenbahnschwellen durch langlebige, verschrottbare Stahlträger zu ersetzen? Allein in den letzten Jahren gab es über fünfhundert Produktinnovationen, von denen auch Du profitiert hast. Und schließlich haben die Stahlwerke in Deutschland enorm in umweltverträgliche Produktionsverfahren investiert. Deine Alternativ-Vision von der Dienstleistungsgesellschaft wird ohne Stahl, d.h. generell ohne einen ökologisch-modernen industriellen Kern, nicht auskommen. Und was heißt schon Dienstleistungsgesellschaft? Im sozial-kommunikativen Bereich gibt es zweifellos viele wichtige Produktionsfelder. Aber derzeit gehört halt auch die Plastik- und Pappmaché-fressende Micky-Mouse-Freizeitwelt dazu.
Es tut mir leid, aber Dein industriepolitischer Amoklauf gegen Stahl und die Hütte in Bremen trägt auch irrationale Züge. Das offenbart Dein Kommentar allzu deutlich. Denn dort, wo Dir die produktionsspezifischen Argumente fehlen, da werden Personen und Gruppen, die sich für das integrierte Stahlwerk in Bremen einsetzen, mit verfassungsschützlerischer Inbrunst zu diffamieren versucht. Es wird Dir nicht gelingen, einen kämpferischen Betriebsrat und seinen Vorsitzenden Sörgel im Schulterschluß mit Bremen madig zu machen. Vielmehr lade ich Dich gerne zu einer Diskussion ein, weil ich für Dich nie die Hoffnung aufgegeben habe. Rudolf Hickel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen