Debatte: Kultursparen

■ Kultursparreise - ein Beitrag von Kulturreferent Narciss Göbbel

Die taz fragt kulturprominente BremerInnen, wo sie sparen würden, wenn denn Finanzsenator Krönings Sparbeschüsse in der heutigen Senatssitzung durchkämen. Der Referent für Breitenkultur Narciss Göbbel ein Bild eingesparter Kulturzukunft.

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Mann am Schreibtisch

Narciss Göbbel

Na endlich, wir können, dürfen, müssen sparen. Kulturpolitik als Herausforderung für seit langem gehegten Träume einer effektiven und runderneuerten kulturellen Entwicklung in Stadt und Land. Endlich stehen einmal Summen zur Verfügung, die es lohnen, verplant zu werden.

Leichten Herzens gilt es Abschied zu nehmen von den unglaublichen Steigerungsraten der Kulturhaushalte in den letzten Jahren. Alles Überflüssige der städtischen Kultur kann nun frohen Herzens entsorgt werden. Die innovative Instandbesetzung der jahrelang dahinvegetierenden Kulturräume in Stadt und Land wird neue kulturelle Bewegungen freisetzen.

Entschlackung und Verschlankung des Kulturdschungels sind angesagt. „Lean production“ und „Just-in-time“-Fertigung werden die grundlegenden Förderkriterien für Kulturprojekte sein. Die vorhandenen Kulturinastitutionen werden die Sozialbindungsklausel des kulturellen Kapitals unserer Stadt praktisch ausweisen müssen. Wie? ganz einfach.

-1. Da sich das Umlaufvolumen von Förderanträgen etc. in der Kulturverwaltung drastisch verringern wird, streben alle dort Tätigen ab sofort mit 50 Prozent ihrer Arbeitskraft dem unmittelbaren kulturellen Schaffensprozeß zur Verfügung. Als Barfußmönche einer neuen Kulturrevolution stehen sie mit kleinen Kulturkoffern an jeder Straßeneckee und zaubern künstlerische Produktionen in den öffentlichen Raum.

-2. Die von Aufführungen weitgehend befreiten Schauspieler, Musiker, Techniker und Regisseure verlassen ihre angestammten Sparten und bringen die Stadtteilkultur auf Trab.

-3.Ein Teil der eingesparten Gelder wird zügig in den Aufbau eines überregional wirkenden Kulturbüros gesteckt, damit Tag für Tag die Highlights europäischer Kulturproduktionen durch die Stadt geschleust werden können. Endlich Festivals noch und noch in einem kulturellen Oberzentrum.

-4. Eine besonders kostensparende Projektförderung gibt das gesparte Geld nur noch für Broschüren aus, in welchen die Projektidee, das Konzept der Realisierung und eine Auswertung der nicht stattfindenden Durchführungen enthalten sind. Solche Projektrepertoires werden durch moderne, mit neuen Technologien ausgestattete „Bürgerinformationssysteme“ in ein Netz europäischer Telecottages gewinnbringend eingespeist. Damit beugen wir der im Konkurrenzkampf mit Japan zu erwartenden ökonomischen Verwüstung unserer veralteten Industriestandorte dürch ästhetisches Denken vor. Mit Life-Schaltungen in die RTL-Sendungen: „Wir bekennen“. —

Narciß Göbbel