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Aufstand der "Lebensschützer"

■ Auch wenn die Autorin belegt, daß die "JVL" dem Rechtsextremismus nahesteht: Der BR zensiert

„Mehrere Mitglieder der ,Juristen-Vereinigung Lebensrecht' (JVL) wie Christa Meves, Günther Willms und Siegfried Ernst hatten Kontakte bis in die rechtsextreme Szene.“ Dieser Satz, der im Dezember in einem zweieinhalbminütigen Hörfunk-Beitrag im Bayerischen Rundfunk (BR) fiel, sorgte in den vergangenen Wochen für Wirbel im Münchner Funkhaus. Prompt hagelte es Beschwerden von seiten der „Lebensschützer“ und Abtreibungsgegner. Die erzkonservative Psychagogin Christa Meves meldete sich mit ihrem Anwalt beim BR und verlangte Beweise. Der Vorsitzende der JVL, Bernward Büchner, unterstellte Autorin Elke Amberg und der BR-Redaktion den „infamen Versuch“, seine Organisation zu diskreditieren.

Für Aufsehen hatte die JVL noch im letzten Jahr vor der Karlsruher Verhandlung des neuen Abtreibungsrechts gesorgt. Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde handelte sich den Vorwurf der Befangenheit ein, da er bis 1990 Mitglied der Vereinigung war, die Abtreibungen strikt ablehnt. Durch großflächige Anzeigen in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung ließ die Organisation im Dezember verlauten „Nein zur Gewalt! Wem immer sie angetan wird.“ Im Kontext der Anzeigenkampagnen gegen die rechte Gewalt in Rostock und Mölln machte sich diese Anzeige gut. Daß die JVL gegen „die tödliche Gewalt, die sich hunderttausendfach gegen ungeborene Menschen richtet“, mobil machte, offenbarte sich den LeserInnen erst im Kleingedruckten. – Letzte Woche landete die Klage des JVL-Vorsitzenden Büchner in einer nicht-öffentlichen Sitzung des bayerischen Hörfunkausschusses. Dieser lehnte die Beschwerde einstimmig ab. Die Behauptung, daß einige JVL-Mitglieder „Kontakte bis in die rechtsextreme Szene“ hätten, sei belegbar, urteilte das Gremium.

Die Referentin in Frauenfragen und JVLerin Christa Meves hielt Mitte der 70er Jahre einen Vortrag bei der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“. Deren Vorsitzender, Jürgen Rieger, vertritt als Rechtsanwalt die „Nationalistische Front“ (NF) und die „Nationale Offensive“. Außerdem firmiert er selbst als Mitglied der mittlerweile verbotenen NF. Doch das störte Christa Meves nicht weiter. Als Taschenbuchautorin mit Vier-Millionen-Auflage hat sie, so ihr katholischer Hausverlag Herder, „dem Schlüsselbegriff Emanzipation eine neue Bedeutung gegeben“. Was darunter zu verstehen ist, illustriert auch eine ihrer Äußerungen in der Zeitschrift der „Europäischen Ärzte Aktion“ Medizin und Ideologie, die Feministinnen als „uteralkastrierte, flachbrüstige Männinnen“ beschreibt. Anfang Februar setzte die Abtreibungsgegnerin in ihrer periodischen Kolumne im Münchner Merkur zum Gegenschlag an: Sie witterte eine „rufmörderische Verleumdung“ durch den BR und unterstellten Autorin Elke Amberg „infame Stasi-Methoden“. Klagen will sie hingegen nicht: „Ich habe so viel zu tun, ich muß so vielen Kindern helfen.“

In seinem Brief an den BR-Intendanten wetterte JVL-Vorsitzender Büchner, es sei „infam“, seine Organisation „in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken“. Büchner schreibt: „Mit solch miesen Methoden, wie sie von Ihrer Redaktion hier bemüht wurden, arbeitet nur derjenige, dem es nicht um objektive Information geht, der seinen Journalisten-Beruf vielmehr für die Zwecke einer einseitigen Meinungsmache zu mißbrauchen bereit ist.“

Doch daß der Ulmer Mediziner und Begründer der rechtslastigen „Europäischen Ärzte Aktion“, Siegfried Ernst, zweifellos in der rechtsextremen Ecke steht, bewies BR-Autorin Elke Amberg in einem zweiten Beitrag für den BR, der im Januar gezeigt wurde. In der einstündigen Sendung ließ sie Ernst in O-Tönen ausführlich mit seinen nationalistischen und rassistischen Ausführungen zu Wort kommen: „Unser heutiges zentrales Problem ist, daß man nun bei uns den früheren, den höheren Organismus, der früher die Familie, die Sippe, das Volk gebildet hat“, praktisch „ausradiert“ habe, kommentiert er beispielsweise die angebliche „Selbstzerstörung des deutschen Volkes“ durch Pille und Abtreibung. Jutta Dithfurth hatte Ernst in einer Diskussionsveranstaltung als Neofaschisten bezeichnet und wurde prompt von ihm verklagt. Doch sie bekam vor dem Kölner Amtsgericht Recht, weil „seine Äußerungen derart rassistische Züge haben, daß sich jedem unbefangenen Betrachter sofort der Vergleich mit der Ideologie des Dritten Reiches aufdrängt“.

Und auch der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Günther Willms, fiel durch seine Nähe zu rechtsextremen Kreisen auf. Unter Angabe seines Namens und voller Berufsbezeichnung hatte der Bundesrichter a. D. 1988 ein ausländerfeindliches Flugblatt für den „Schutzbund für das deutsche Volk“ geschrieben und ließ es verteilen. Der „Schutzbund“ gilt als geistiger Mittelpunkt verschiedener ausländerfeindlicher Aktivitäten.

Die Geschütze von seiten der JVL-Führung verfehlten im Bayerischen Rundfunk zunächst trotz all dieser Belege ihre Wirkung nicht. Immerhin ließ sich die zuständige Familienredaktion dazu verleiten, die Dokumentation von Elke Amberg vor der Ausstrahlung noch einmal zu bearbeiten. Der Zensur fielen vor allem Passagen, in denen die selbsternannten „Lebensschützer“ politisch eingeordnet wurden, zum Opfer. Die Autorin hatte daher einer Ausstrahlung der Sendung nicht zugestimmt. Die Sendung ging dennoch über den Äther, mit wesentlich vorsichtiger formulierter Einleitung und neuem Schlußteil. Elke Amberg erwägt, dagegen gerichtlich vorzugehen. Karin Flothmann

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