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BUND will Öko-Katalog für Gewerbe

■ 70 ha Fläche pro Jahr sind zu viel / Brachen nutzen, Flächenfraß stoppen

Wieviel Gewerbeflächen braucht das Land? Knapp 30 Hektar, wie der grüne Umweltsenator meint, oder 70 Hektar, wie der liberale Wirtschaftssenator fordert? Im Streit der Ressorts hat gestern der Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund) seine Stimme erhoben. „Wer 70 Hektar fordert, an dem ist die Ökologie-Diskussion spurlos vorübergegangen“, sagte Bund-Geschäftsführer Joachim Seitz gestern vor der Presse.

Dazu präsentierten die Umweltschützer interessante Zahlen. Vor 36 Jahren (1957) gab es in Bremen noch etwa doppelt so viel Grün- und Landschaftsfläche wie Siedlungsfläche, 1983 waren bereits 51 Prozent der 31.000 stadtbremischen Hektar Siedlungsfläche. Nie zuvor sind in einem Jahr 70 Hektar Gewerbeflächen verkauft worden. „Durchschnittlich wurden von 1970 an jährlich 27 Hektar Gewerbefläche verkauft“, erklärte Bund-Flächenfachmann Georg Witschorke. Rechne man die Flächenspitzen für Mercedes und das Güterverkehrszentrum (GVZ) ab, blieben durchschnittlich 15 Hektar. Witschorke hat sich auch die Rote Liste für bedrohte Pflanzen in Bremen angesehen: Im Vergleich zu 1983 stehen heute 70 Pflanzennamen mehr auf der Liste, 200 Pflanzen sind in ihrer Gefährdungsstufe höher gerutscht als im Vergleichsjahr.

Steigt der Flächenverbrauch weiter wie bisher, gibt es in Bremen im Jahr 2093 keine freien Flächen mehr. „Der ökologische Umgang mit Flächen hat sich im Bereich Gewerbeansiedlung bislang nicht ansatzweise durchgesetzt“, kritisiert Bund-Mitarbeiter Michael Abendroth. Ein besonders krasses Beispiel für Flächenfraß sei der Umzug der Paketbearbeitung der Bundespost aus der Innenstadt in das GVZ: „Die breiten sich jetzt auf 10 Hektar aus, vorher hatten sie 1,4 Hektar.“

Der Bund hat gleich eine ganze Latte von Ideen, mit denen man den Umgang mit freien Flächen im ökologischen Sinn bewußter gestalten kann. So soll Gewerbegebiet demnächst erheblich teurer angeboten werden als bislang. „Wohnbauland kostet heute zwischen 250 und 300 Mark, Gewerbefläche kostet 60 Mark pro Quadratmeter“, sagt Abendroth. Man müsse am Preis bereits ablesen können, daß Flächen ein knappes Gut sind und den Preisen des Marktes unterliegen. Außerdem fordert der Bund die Subventionierung flächensparender Bauweise, die Ausnutzung von Industriebrachen für Gewerbeansiedlung und Gewerbehöfe mit gemeinsamer Infrastruktur.

Freie Fahrt auf freie Flächen seien auch kein Garant für die Scherung von Arbeitsplätzen. Von den 30.000 Arbeitsplätzen, die in den letzten zehn Jahren in Bremen neu entstanden sind, seien nur 5.000 auf neuen Flächen angesiedelt worden. Im Niedervieland kämen derzeit auf einem Hektar 30 Arbeitsplätze, „in Hamburg überlegt man, ob man 100 Arbeitsplätze für die Vergabe von Gewerbeflächen zur Auflage machen sollte“, sagte Abendroth. Das Stichwort Hamburg lieferte Bund-Geschäftsführer Joachim Seitz dann noch das letzte Argument gegen die 70-Hektar-Forderung: In Hamburg, einer Stadt, die viermal so groß ist wie Bremen, seien in den letzten Jahren im Durchschnitt 27 Hektar Fläche für Gewerbeansiedlung verbraucht worden. mad

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