: Kein Geld für Magnus Hirschfeld
■ Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft ist gefährdet/ Fördermittel für Ausstellung in den Sand gesetzt
Prenzlauer Berg. Gerade eben erst, berichtet Ralf Dose von der „Magnus Hirschfeld Gesellschaft e.V.“, hätten sie „bisher unbekannte Texte“ des jüdischen Sexualreformers zum Thema Impotenz gefunden – „das scheint in den 20er Jahren eine Modekrankheit gewesen zu sein“. Da die MitarbeiterInnen der „Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft“ aber ab heute auf der Straße stehen, müssen sie sich fragen, ob die Unfähigkeit nicht eine aktuelle Modekrankheit in den Behörden ist. Zum 15. Februar hat das Arbeitsamt Prenzlauer Berg nämlich die Gelder für alle neun ABM- Stellen der Forschungsstelle in der Immanuelkirchstraße gestrichen. Und das, obwohl sämtliche Recherchen für eine umfangreiche Ausstellung und andere Vorhaben halbfertig zurückbleiben müssen und auf diese Weise eine drittel Million Fördermittel in den Sand gesetzt werden.
Die Ausstellung war eigentlich für das Jahr 1994 geplant – zum 75. Jahrestag der Gründung des damals weltweit ersten „Instituts für Sexualwissenschaft“. Da wo heute nur noch ein paar Bäume stehen, In den Zelten im Tiergarten, hatte der Arzt Magnus Hirschfeld im Jahre 1919 sein Institut eröffnet, das in der Weimarer Republik als Bildungsstätte und Treffpunkt für Schwule und Lesben, Transsexuelle, Sexualreformer und Feministinnen fungierte. Im Mai 1933 aber plünderten und zerstörten die Nazis das Institut und seine umfangreichen Sammlungen, die Bibliothek wurde bei der Bücherverbrennung auf dem Opernplatz von den Flammen verzehrt. Hirschfeld, gerade auf einer Weltreise, zog es vor, Deutschland den Rücken zu kehren. Er starb 1935 in Nizza.
Die Zerstörungswut der Nazis hatte auch dafür gesorgt, daß die noch vorhandenen Dokumente und Objekte in alle Welt verstreut wurden. Genau ein Jahr lang haben die ABM-bezahlten MitarbeiterInnen der „Forschungsstelle“ nunmehr mühsame Rekonstruktionsarbeit betrieben, indem sie in Archiven wühlten, Spuren sicherten, Texte ausgruben, vergilbte Fotos auftrieben, wissenschaftliche Aufsätze veröffentlichten, ein internationales Kolloquium organisierten und das Ausstellungskonzept erarbeiteten. „Wir haben hier hochmotivierte Leute, die von Woche zu Woche neue Akten oder Plakate und Bilder gefunden haben“, ärgert sich Ralf Dose, Westberliner Mitbegründer der „Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft“.
Und das alles, weil der ABM- Ausschuß im Arbeitsamt Prenzlauer Berg zu der Meinung gelangte, daß WissenschaftlerInnen nicht mehr zu den besonders förderungswürdigen Personen gehörten. Nach den allfälligen ABM- Kürzungen im Zuge der Arbeitsförderungsnovelle sei das leider „kein Einzelfall“ mehr, bedauerte Gabriele Herschel, persönliche Referentin von Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD).
Dennoch ist das allerletzte Wort noch nicht gesprochen. Hinter den Kulissen haben gleich mehrere Senatsverwaltungen ein gutes Wort für das Projekt eingelegt. usche
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