: Algerien: Anschlag auf Nezzar
■ Ferngezündete Autobombe sollte algerischen Verteidigungsminister töten/ Vier Polizisten erschossen
Algier (AFP) – Mit dem fehlgeschlagenen Anschlag auf den algerischen Verteidigungsminister Generalmajor Khaled Nezzar haben die unbekannten Attentäter, die vermutlich aus den Reihen der radikalen Islamisten stammen, auf den „starken Mann“ des Regimes gezielt. Dieser hatte schon vor dem erzwungenen Rücktritt des zur Kooperation mit den Islamisten bereiten Staatspräsidenten Chadli Bendjedid im Januar 1992 mit Blick auf die bewaffneten radikalen Islam-Anhänger verkündet: „Wir werden sie alle vernichten.“
Der 55jährige Nezzar, der auch Mitglied des als kollektive Staatsführung fungierenden fünfköpfigen Hohen Staatskomitees ist, war am Samstag morgen in Algier nur knapp einem Attentat durch eine ferngezündete Autobombe entgangen. Am selben Morgen wurden vier Polizisten bei der Fahrt zur Arbeit in einem Hinterhalt erschossen, darunter der Chef der Polizeistation des Algierer Vororts Hassen Badi.
Mit dem Anschlag auf Nezzar, den „Patron“ der Militärs, sei die gesamte Armee als „republikanische Institution“ gemeint, um Algerien zu destabilisieren, kommentierte die meist staatstragende Presse in der Hauptstadt am Sonntag. Zu dem Anschlag bekannte sich bislang noch keine Gruppe. Aber sämtliche Medien des Landes gingen davon aus, daß es sich um das Werk islamistischer Untergrundkämpfer handelt.
Gleichzeitig wurde jedoch ausgeschlossen, daß dies die unmittelbare „Antwort“ der radikalen Islamisten auf die 24 Stunden zuvor bekanntgebene Vollstreckung von Todesurteilen an vieren ihrer Gesinnungsgenossen war. Ein technisch so komplizierter Anschlag habe längerer Vorbereitung bedurft. In der Tat ist ein Lieferwagen mit Sprengstoff vollgestopft und am Anfahrtsweg des Ministers zur Arbeit per Fernsteuerung gezündet worden. Diese Attentatstechnik ist von den islamistischen Untergrundkämpfern bisher noch nicht angewandt worden. Allerdings wurden weder das Fahrzeug des Ministers, der anschließend in seinem Büro normal seine Arbeit aufnahm, noch seine Eskorte getroffen. Am Ort des Anschlags waren am Nachmittag zwei ausgebrannte Fahrzeuge zu sehen.
Ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit wurden am Samstag morgen jedoch vier Polizeibeamte getötet. In der Stadt El Harrach im östlichen Vorortgürtel von Algier wurden die vier aus dem Hinterhalt von Attentätern aus einem Lieferwagen mit automatischen Waffen beschossen. Unter den Getöteten befand sich der 53jähriger Kommissar Said Khalfi; er war zugleich Leiter der Polizeistation in Hassen Badi, einem Vorort von Algier.
Am Donnerstag hatte Regierungschef Belaid Abdesslam bestätigt, daß seit Verhängung des Ausnahmezustands am 9.Februar 1992 etwa 600 Personen in Zusammenhang mit politischer Gewalt ums Leben gekommen sind, darunter 250 Polizisten.
Am Freitag hatte das Justizministerium die Hinrichtung von vier islamistischen Untergrundkämpfern bekanntgegeben, die im Mai letzten Jahres verurteilt worden waren. Acht andere Partisanen, die wie die vier im November 1991 den Militärposten Guemmar an der tunesisch-algerischen Grenze überfallen hatten, waren begnadigt worden.
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