piwik no script img

Urdrüs wahre Kolumne

■ Eier wie Helmut Kohl

URDRÜS WAHRE KOLUMNE

Eier wie Helmut Kohl

Eine jede von uns kennt wohl das schöne Gefühl, wenn eigene geheime Obsessionen bei anderen publik werden: „Du bist nicht allein“, sagen uns solche Enthüllungen, die vielleicht auch die Bereitschaft stärken, offen zur eigenen Leidenschaft zu stehen. In den Boutiquen Osnabrücks nun verbreitet eine Kundin Furcht und Schrecken, die mit Hilfe eines scharfen Gegenstandes L-förmige Schlitze und kreisrunde Löcher in Blusen, Jacken, Hosen schneidet. Ach wie gut verstehe ich diese Partisanin in der Horrorwelt der Ware: Mit Enthusiasmus drücke ich z.B. zur Unzeit aufgestellte Schokoladenhohlkörper in Osterhasenform regalweise zusammen oder nehme prächtigen Praline-Geschenkpackungen durch einen behutsamen Knick den Flair des Unerreichbar-Exklusiven: Irgendwann trifft man sich dann wieder am Tisch mit den Sonderangeboten zum Rausverkaufspreis. Haben Sie Ihr eigenes Ventil gegen die Allmacht des Reichs der Käuflichkeiten schon gefunden?

Therapeutisch wertvoll! Führungskräfte der Wirtschaft sollen sein wie Pipi Langstrumpf — behauptet die Initiative Market Team, in der sich die besonders fleißigen und karrierewütigen Wirtschaftsstudenten Deutschlands zwecks praxisnaher Weiterbildung zusammenfinden. Nunmehr bietet der Streberclub in Bremen Kurse in Personal Development an, um den künftigen Entscheidungsträgern den Weg zur inneren Pippi Langstrumpf zu bahnen. Dies aber nenne ich Blasphemie: Bei Typen dieses Schlags reicht' s allenfalls zu Thomas, Annika oder Pruseline — die paar Freaks aus der Runde schaffen es vielleicht bis zum Bewußtsein von Kleiner Onkel... (Im PS ihres Presse-Faxes behaupten die Burschen noch, Pipi Langstrumpf „ist unsere Patronin“. Dabei hat Treuhand-Birgit keine Zöpfe!)

So werden die Meldungen bei dpa geschunden: „Wer in der närrischen Zeit Probleme mit einem Kater hat, sollte zu Fisch greifen. Das Fischwirtschaftliche Marketing-Institut empfiehlt besonders den Hering. Er enthalte, so ergaben wissenschaftliche Untersuchungen, alles, was dem Organismus nach durchzechter Nacht fehle.“ Die Nordsee, ein großes Alka-Seltzer. Und in die Presse gelangen solche wissenschaftlichen Befunde, weil trinkfeste Öffentlichkeitsarbeiter die Journalisten untern Tisch saufen und ihnen dann morgens das Maul mit Rollmops ausstopfen. Und hinterher hat der Herr Wyremba vom Bremerhavener Fischmarketing dann immer der Stasi das Erbrochene zwecks Auswertung zur Verfügung gestellt.

Vor einem ausgesprochen trendstarken Modeladen für vor allem Lack- und Lederfreunde im Steintor greift eine junge Frau gestern vormittag einem jungen Mann in ziemlicher Öffentlichkeit an jene Stelle, die völlig unanatomisch als “Schritt“ bezeichnet wird. „Eier wie Helmut Kohl“, stellt sie dann nach kurzer Prüfung und in völlig indiskreter Lautstärke fest. Eier wie Helmut Kohl. Meint das nun weich gekocht oder hart gesotten? Ulrich Reineking-Drügemöller

P.S.: Eine ganz nette Postkarte von einer Ulrike erhielt ich dieser Tage und nachdem ich bereits zwei falsche Trägerinnen dieses Namens verdächtigt habe, nunmehr der neugiergepeinigte Appell: Erkenne dich selbst — und gib dich dann zu erkennen!

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen