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Freispruch im achten Mauerschützenprozeß

■ Trotz Zweifeln konnte ein Tötungsvorsatz nicht eindeutig bewiesen werden

Berlin (dpa/taz) – Mit einem Freispruch endete der sogenannte achte Mauerschützenprozeß vor dem Berliner Landgericht. Dem wegen der vermutlich letzten Schüsse an der Berliner Mauer im April 1989 angeklagten 49jährigen Ex-Offizier der DDR-Paßkontrolle konnte nicht nachgewiesen werden, so der Vorsitzende Richter Theodor Seidel nach nur vier Verhandlungstagen, daß er mit Tötungsvorsatz gehandelt hätte: „Die vorliegenden Beweismittel reichen nicht aus.“

Schon zu Prozeßbeginn vor rund zwei Wochen war die Beweislage widersprüchlich. Die Anklage war davon ausgegangen, daß der Beschuldigte mit Tötungsabsicht auf den flüchtenden Bernd Greiser geschossen hatte. Dieser hatte mit seinem Freund Michael Bachmann bei dem Berliner Grenzübergang Chausseestraße versucht, die Grenzanlagen zu überwinden. Diese Auffassung war durch Greiser selbst bestätigt worden: „Ich bin der Meinung, er wollte mich töten.“ Der Arm des Angeklagten mit der Pistole in der Hand habe direkt auf ihn gehalten.

Der Ex-Offizier hatte dagegen behauptet, daß er nur einen Warnschuß abgegeben habe. Er hätte nicht auf den Kopf, sondern direkt darüber gezielt.

Nach Richter Seidels Worten begründen sich die Zweifel am Tötungsvorsatz auch damit, daß er aus nur sechs bis acht Metern Entfernung geschossen habe. Normalerweise könne aus solch einer kurzen Distanz ein Schuß „plaziert“ werden. Zum Nachweis eines gezielten Schusses wären deshalb besonders zuverlässige Zeugenaussagen nötig gewesen.

Dennoch bleiben, so der Vorsitzende weiter, Zweifel an der Warnschuß-Version des Angeklagten. Es sei unverständlich, warum der Grenzoffizier zur Abgabe eines Warnschusses die Waffe auf einen Zaun aufgelegt habe. Dennoch habe die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangen können, „daß es so gewesen ist, wie es in der Anklage steht“. Zu dieser Auffassung war letztlich auch die Staatsanwaltschaft gelangt, die, wie auch die Verteidigung, auf Freispruch plädiert hatte.

In den bisherigen acht Mauerschützen-Prozessen sind damit von den insgesamt 16 angeklagten Grenzsoldaten bereits acht freigesprochen worden. Die härteste Strafe war im Dezember 1992 im Potsdamer Mauerschützen-Prozeß mit sechs Jahren Haft wegen Totschlags verhängt worden.

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