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Revierwache 16 - rechtsfreier Raum?

■ Polizei zu Schmerzensgeld verurteilt / Täter: Beamte der E-Schicht / Richter: Straftaten rechtfertigen keine Polizeiprügel

/ Täter: Beamte der E-Schicht / Richter: Straftaten rechtfertigen keine Polizeiprügel

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2å Böse Schlappe für Innensenator Werner Hackmann: Das Hamburger Landgericht verurteilte die Polzei gestern zur Zahlung von Schmerzensgeldern an Frank Fennel (4000 Mark) und an Lutz Priebe (2500 Mark). Für das Gericht stand fest, daß die beiden 25jährigen von Beamten der berüchtigten „E“-Schicht aus der Revierwache Lerchenstraße zusammengeschlagen worden sind. Richter Detlev Timmermann: „Die Kläger sind vorsätzlich auf der Wache 16 mißhandelt worden. Die beiden Kläger haben keinen Widerstand geleistet, der solche Maßnahmen erforderlich gemacht hätte.“

Der Krankenpfleger Priebe war am 20. August 1989 vor jener Wache festgenommen worden, als er dort mit anderen für die Freilassung eines Freundes demonstriert hatte. Im Polizeigebäude war er dann von mehreren Polizisten geprügelt und sein Kopf mehrfach auf den Tresen geschlagen worden. Er erlitt dabei einen Nasenbeinbruch.

Version der beteiligten Polizisten: Priebe sei aus eigenem Verschulden gestürzt und habe sich dabei die Nase an einer Stuhllehne gebrochen. Doch Richter Timmermann glaubte den Beamten nicht: „Der Stuhl stand mit der Lehne an der Wand, ein solcher Ablauf ist nicht vorstellbar.“ „Befremdet“ habe ihn auch, daß die Männer von der Eingreiftruppe drei Jahre nach dem Vorfall plötzlich Beweisfotos vorlegen konnten, die vorher vorenthalten worden waren.

Der Schlosser Frank Fennel war von „16E“-Beamten am 29. Juli 1991 vor dem Stadtteilzentrum „Rote Flora“ nach seiner Festnahme auf der Fahrt zum Revier mit Knüppeln geschlagen und getreten worden. In der Garage der Wache war er zudem an den Füßen aus dem VW-Bus gezogen worden. Bilanz dieser Verhaftung: Nierenquetschungen, Gehirnerschütterung und unzählige Prellungen. In Fennels Fall hatten die Beamten die Aussage verweigert: Sie wollten sich nicht selbst belasten.

Der Richter betonte gestern, daß er in diesem Verfahren nicht Tatbeteiligte zu ermitteln hatte, sondern feststellen mußte, ob Polizisten an derartigen Vorfällen beteiligt waren. Auch wenn Fennel und Priebe womöglich Straftaten begangen haben sollten, so der Richter bei der Urteilsbegründung, treffe sie „keinerlei Mitschuld“ an den Verletzungen. „Eine mögliche Straftat rechtfertigt eine Festnahme, sie rechtfertigt aber eine derartige Behandlungsweise nicht“, so Timmermannns deutliche Worte. Polizisten müßten in jedem Fall Selbstdisziplin aufbringen.

Die Betroffenen hätten wegen der erlittenen „Erniedrigung“ ein „besonderes Rehabilitationsrecht“. Aus diesem Grund setzte das Gericht das Schmerzensgeld besonders hoch an. „Diese vorsätzlichen Mißhandlungen sind mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar“, so Timmermanns Urteil. Eine festgenommene Person müsse sich auf einer Polizeiwache sicher fühlen können. Klare Warnung auch an Hackmann: „Es muß sichergestellt sein, daß die Wache 16 kein rechtsfreier Raum wird.“

Ob der Innensenator, der die Vorwürfe gegen seine Mannen stets als unbegründet zurückgewiesen hatte, Beschwerde gegen das Urteil einlegen wird, ist unklar. Polizeisprecher Werner Jantosch gestern: „Kein Kommentar“. Die Londoner Sektion von „Amnesty International“ prüft derweil, ob die Vorgänge im Revier 16 als Menschenrechtsverletzungen zu klassifizieren sind. Erst jüngst waren dort wieder zwei Männer zusammengeschlagen worden, einer erlitt einen Nasenbeinbruch. Der zuständige Direktionschef Richard Peters hatte den Faustschlag als „Notwehrmaßnahme“ gerechtfertigt. Kai von Appen

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