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Hermes sichert Rüstungsexporte

Exportwirtschaft macht mit Atomanlagen, Bunkern und anderen Gütern dicke Geschäfte in der Dritten Welt – auf Kosten der Steuerzahler  ■ Von Uwe Pollmann

Mit seinem Rotstift hat Theo Waigel allerhand Bundesbürgern Angst eingejagt. Nur einen Bereich hat der Finanzminister ausgelassen: die reichhaltigen Absicherungen des Bundes für Deutschlands Exportwirtschaft. Allein 2,3 Milliarden Mark schusterte die Regierung 1992 der Hamburger Hermes Kreditversicherungs-AG zu, die im Auftrag des Bundes eine Art „Rundum-sorglos-Paket“ für Exporte in Dritte-Welt-Länder bietet. Damit schrauben sich die Hermes-Defizite daraus, die zunächst voll auf die Steuerzahler abgewälzt werden, auf über 15 Milliarden Mark hoch.

Seit Beginn der internationalen Schuldenkrise sind die sogenannten Hermes-Bürgschaften, über die sich die Bundesregierung am liebsten ausschweigt, zu einem Faß ohne Boden geworden. Die von Hermes verbürgten Geschäfte und Exporte in zahlungsunsichere Entwicklungsländer und Osteuropa reißen immer tiefere Löcher in die Bonner Kassen. Denn zu billigen Versicherungsgebühren von ein bis drei Prozent der Geschäftssumme ließ sich so allerhand absichern: vom Atomkraftwerk in Brasilien bis zum Schutzbunker für Saddam Hussein.

Zwar stritt die Regierung die umfassende Absicherung von Rüstungsexporten in Länder außerhalb der Nato bisher stets ab. Doch für was die deutschen Steuerzahler in Wirklichkeit bürgen, offenbart nun eine Studie der Bonner Entwicklungsorganisation „Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung“ (WEED). So fand WEED- Autor Thomas Fues heraus, daß der Haushaltsausschuß des Bundestages Mitte 1992 über „anstehende Hermes-Bürgschaften von grundsätzlicher Bedeutung unterrichtet wurde“, von denen mehr als die Hälfte „eindeutig militärische Projekte“ waren – etwa Überwachungsflugzeuge für Algerien, Ausrüstungs- und Ersatzteile für militärische Schnellboote in Kuwait oder Patrouillenboote auf den Philippinen. Mit auf der Liste: der Iran, Korea, Mexiko, Ecuador oder Rumänien. Die Billigung – die im übrigen „einvernehmlich“ verlief – scheint Routine zu sein.

Weit einschneidender als für den bundesdeutschen Finanzhaushalt sind die zivilen Großprojekte und „weißen Elefanten“ für die Entwicklungsländer, an denen sich Konzerne wie Siemens eine goldene Nase verdienten. So liefert der Siemens-Unternehmensbereich Kraftwerksunion (KWU) Teile für das umstrittene und seit 15 Jahren im Bau befindliche brasilianische Atomkraftwerk „Angra2“, das bisher 18 Milliarden Mark verschlungen hat. Auch große Staudämme im Nordosten Brasiliens, die Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, rüstet der Erlanger Konzern mit Generatoren aus. „Der komplette Liefer- und Leistungsumfang“, so ein Siemens-Sprecher, „wird durch die Hermes-Versicherung gedeckt.“

Mit dieser Aussicht laufen Großgeschäfte wie geschmiert: Äthylenanlagen in Mexiko und China, Staudämme und ein Stahlwerk in Indien. Einer Überprüfung nach ökologischen und entwicklungspolitischen Aspekten hielten die meisten Projekte wohl kaum stand, mutmaßt die WEED. Wirtschaftliche Aspekte stehen an erster Stelle. „Und gegebenenfalls“, so das Wirtschaftsministerium, „auch die entwicklungspolitischen und ökologischen Folgen.“

Doch wie die Prüfungsergebnisse im einzelnen aussehen, ist unbekannt, da strikte Geheimhaltung herrscht. Selbst Bundestagsabgeordnete bekamen auf Anfragen bisher nur ausweichende Antworten. Demgegenüber jedoch haben vom Wirtschaftsminister berufene Vertreter aus Industrie, Banken und Handel freien Zugang zu den Sitzungen und können als Sachverständige sogar Einfluß ausüben, wohin die Steuergelder gehen – ein verfilztes Geschäft also.

Da überrascht kaum, daß auf einer Fachtagung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie kürzlich vor einer Politisierung der Hermes-Bürgschaften gewarnt wurde. Von der Erhöhung der Versicherungsprämien war man ebenfalls nicht angetan, will doch der Bund in Zukunft die Versicherungsgebühren nach Länderrisiken staffeln. Die Wirtschaftswoche unkte: „Kein anderes Land gewährt seinen Unternehmen eine Absicherung der Exporte zu so günstigen Bedingungen wie der Bund.“

Allerdings kündigte die Regierung sogleich eine maßvolle Erhöhung an. Trotz der schwindelerregenden Bürgschaften von über 220 Milliarden Mark (Stand 1992) solle Hermes nämlich auch weiterhin Geschäfte in der Dritten Welt ermöglichen. Immerhin gebe es solche Bürgschaften in anderen Industriestaaten auch. Zudem weiß das Wirtschaftsministerium: Hermes „hilft den Entwicklungsländern so im Überwinden der Schuldenkrise und in ihrer Integration in ein offenes Welthandelssystem“. Darüber hinaus hingen von den Exporten über 400.000 Arbeitsplätze ab, wie die Universität Mainz im Auftrag des Wirtschaftsministeriums errechnete.

Die Bürgschaften konterkarierten die Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe“, schimpft das katholische Hilfswerk Misereor. Denn nicht zum „Überwinden der Schuldenkrise“ tragen sie bei, sondern zu einer hoffnungslosen Verschuldung. Ganz offen erklärt nämlich auch die Bundesregierung, daß sie die Dritte-Welt-Länder für nicht bezahlte Aufträge zur Rechenschaft ziehen werde. Wer dafür in der Regel büßt, ist die arme Bevölkerung, der Löhne und Sozialleistungen gestrichen werden. So sind Brasilien dadurch bereits über drei Milliarden Mark angekreidet worden. Weitere Konsequenz: Bewilligte Entwicklungshilfegelder werden teilweise nicht mehr ausgezahlt.

„Politischer Druck“, so WEED, sei da längst überfällig. Doch es gibt es kaum eine Organisation, die sich tiefer mit dem goldenen Geschäft für die Exportwirtschaft befaßt oder gar aktiv werden will. Dabei könnten die Defizite aus den Bürgschaften bald die Hälfte der staatlichen deutschen Entwicklungshilfe ausmachen, vermutet WEED-Mitarbeiter Thomas Fues. Ein Beispiel für den richtigen Weg bietet die Schweiz. Dort wurde schon 1981 gesetzlich festgelegt, wenigstens „die Grundsätze der schweizerischen Entwicklungspolitik mitzuberücksichtigen.“ Zudem sitzt ein Gewerkschafter mit im Entscheidungsgremium für die Exportbürgschaften, und in jährlichen Berichten wird detailliert informiert. Eine Transparenz, die hierzulande längst überfällig ist.

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