Und sie bauten eine Kirche

■ Die neue Michaels-Kirche am Rembertikreisel wächst / taz-Gepräch mit dem Entwerfer des anthroposophischen Gotteshauses

Der Bug eines Eisbrechers scheint sich in die Baulücke am Rembertikreisel zu schieben: Fensterlos, trutzig nimmt ein neues Gotteshaus Platz auf dem Plätzchen zwischen Auf den Häfen, Salvator-Allende- Straße und Kleine Meinkenstraße. Ein naturinspirierter Fremdkörper zwischen all der postmodernen Wohnbebauung drumherum. Auf der Rückseite, wo eigenartiger Weise der (Hinter?)-Eingang liegt, geht es dabei ganz demütig eingeschossig los, indem die Bauweise der Umgebung aufgenommen wird. Geschwungene Linien, fünfeckige Fenster und dramatisch ansteigende und abfallende Linien verweisen auf den Bauherrn: die Bremer „Christengemeinschaft“, eine Schar von Anthroposophen, die ihre kultischen Handlungen bislang Am Dobben vollzog. Die Kirche, die den Namen der bei Rudolf-Steiner- Anhängern verehrten Lichtgestalt Michael tragen wird, soll im Herbst geweiht werden. Der Entwurf stammt von Jens Ebert (52), einem Ostberliner Architekten, der schon zu DDR-Zeiten als Staatsangestellter Kirchen baute - die Nachfrage besonders in den unansehnlichen Plattenbau-Siedlungen war seinerzeit enorm. Selbst Quäker und Mormonen bauten Kirchen - gegen Valuta, versteht sich. Der inzwischen „freie“ Architekt ist anthroposophisch interessiert und sitzt gerade an einer Vorstudie zu einer Waldorfschule in Berlin. Daneben plant er eine Kirche in Pankow. Die taz sprach mit Jens Ebert.

taz: Sind Sie Anthroposoph?

Jens Ebert: Nein, bin ich nicht. Ich habe die Christengemeinschaft zwei Jahre vor der Wende hier in Berlin kennengelernt im Zuge eines Auftrages für eine Berliner Kirche. Ich habe mich dann sehr intensiv damit beschäftigt, drei Monate lang meine ganze Freizeit dafür aufgeopfert. Gerne aufgeopfert! Ich habe einen Entwurf gemacht und bin dadurch auch bekannt geworden in Bremen. Die Kirche in Ostberlin ist ein Opfer der Wende geworden. Sie war schon im Bau, als mit der Wende die Grundstücksfragen kamen. Heute wird über den Weiterbau prozessiert. 1988 lief dann der Wettbewerb in Bremen, nach der Wende habe ich den Entwurf gemacht.

Welche Idee verfolgen Sie mit dem Neubau?

Ich interessiere mich für organisches Bauen. Das war eine Bewegung, die im vorigen Jahrhundert aufkam, Frank Lloyd Wright, ein berühmter amerikanischer Architekt, war der Hauptvertreter, und seit Anfang des Jahrhunderts Rudolf Steiner. In deren städtischen Architektur ergibt sich eins aus dem anderen, nicht additiv, sondern organisch. Die Gebäude sind plastisch gestaltet. Dabei gehen wir davon aus, daß in der Natur der rechte Winkel

hier bitte den

Neubau hinterm Zaun

„Wer baut heute noch eine Kirche auf einen Platz?"Foto: Katja Heddinga

höchst selten ist. Die vielen Schrägen sollen die Form weicher machen, man kann ja nicht alles rund bauen. Gleichzeitig geben die Schrägen eine Richtung. Dazu kommt das Prinzip der Metamorphose: wie in einer Fuge von Bach läßt man eine Form anklingen und sie verändert wiederkehren. Dazu kommt das kristalline Element, das der Erde zugeneigt ist, und die Kurvenform, die das Oberirdische darstellt.

Die Michaels-Kirche schiebt sich wie ein Schiff in die Bau

lücke am Rembertiplatz.

An ein Schiff habe ich nie gedacht. Aber ein Schiff, das Wasser verdrängen und eine bestimmte Form haben muß - da ist eine Ähnlichkeit. Die Dimension dort und der zentrale Platz, das war eine Herausforderung für mich. Wo baut man heute noch eine Kirche auf einen Platz? Die große Form mußte sich an die vielen kleinen, ein- bis viergeschossigen Häuser anpassen, die dort stehen. Ich habe geantwortet auf die Baukörper und deren Ausbuchtungen, die dort

vorhanden sind.

Es gibt diese hohe fensterlose Front...

Das ist der Altarbereich. Die Weihehandlung findet nur vor Kerzenlicht statt. Es soll im Kirchenraum ein gedämpftes Licht herrschen. Auch wenn Weihrauch aufsteigt, soll das im Kerzenlicht sichtbar sein.

Der Eingangsbereich wirkt sehr klein.

Das soll ein kleiner Raum der Ruhe sein, bevor man in die Kirche eintritt. Er soll die Beziehung zu dem Platz davor herstellen. Dazu gibt es eine Bedeutungserhöhung in Richtung Altar, deshalb steigt der Fußboden dorthin an. Der flache Bau an der Seite nimmt die Sakristei auf und eine kleine Kapelle. Die äußerste Ecke des Körpers geht dann wieder hoch auf sechs Meter, als Antwort auf das Haus mit den zwei Türmen Auf den Häfen.

Ist das anthroposophische Bauen, wo teilweise jeder Stein in einem anderen Winkel angeschnitten werden muß, teurer als eine konventionelle Bauweise?

Eigentlich nicht. Ich kenne den Kostenvergleich aus den Waldorfschulen; die arbeiten erstmal mit natürlichen Baustoffen - Beton ist die Grenze...

...teuer...

Nein: eine Holzverschalung beispielsweise ist billiger als andere Ausbauformen. Und schon beim Rohbau sieht man, daß bei einem Raum, der so gestaltet ist, darauf verzichtet werden kann, ihm mit kostbaren Ausbaumaterialien eine Qualität zu geben.

Haben Sie bei der Planung mit den Anwohnern gesprochen?

Ja, mehrfach. Wir haben die Diskussionen am Modell gemacht. Wir haben gute Gespräche mit den Nachbarn geführt. Besonders die Bewohner der kleinen Häuser waren fast alle dabei; für sie ist das die Nordseite, es tritt keine Beschattung auf.

Wird es eine Glocke geben?

Nein. Es gibt zwar Gemeinden, die eine Glocke haben wollen. Es ist nicht verboten - aber auch nicht üblich. Fragen: Bus