Sodomie und Gruppensex im Unterhaus Von Ralf Sotscheck

Die Presseerklärung klingt vielversprechend: Im britischen Unterhaus soll eine „grausige und ekelerregende Ausstellung obszönen Materials“ stattfinden. Legt Finanzminister Norman Lamont etwa vorzeitig seinen Haushaltsplan vor? Weit gefehlt. Es geht um harte Pornomagazine. Die Tory-Abgeordnete Ann Winterton will den Unterhaus-KollegInnen ihre schmutzige Heftchensammlung vorlegen, damit die behüteten ParlamentarierInnen mit eigenen Augen sehen können, womit unter britischen Ladentischen gehandelt wird. Winterton zählt auf, was sie alles zu bieten hat: „Kindesmißbrauch, Sodomie, oralen Sex und sowohl homosexuellen als auch heterosexuellen Gruppen- und Analverkehr“. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Und den Abgeordneten, die alles zu kennen glauben, verspricht sie ein paar Überraschungen: „Das Material enthält noch andere gewalttätige und abnorme Sexualpraktiken. Es wäre aber unpassend, sie hier aufzulisten.“ Der Werbetrick wirkt. Schon über 300 Abgeordnete haben Eintrittskarten für die grausige Ausstellung beantragt, um sich stellvertretend für die WählerInnen ekeln zu können. VolksvertreterInnen haben es nicht leicht. Sie sind vielbeschäftigt, so daß manche Debatte – etwa über die Zukunft der Bergarbeiter – vor leeren Rängen ausgetragen werden muß. Um so lobenswerter, daß sie in diesem Fall ihrer schweren Pflicht so zahlreich nachkommen. Will man über Kinderpornographie entscheiden, muß man schließlich das Material vorher gründlich studieren. Winterton bekennt: „Ich bin keineswegs prüde, aber ich war tief schockiert, daß solches Material nun zunehmend erhältlich ist.“

Offenbar auch im Parlament, denn Wintertons Idee ist nicht neu: Bereits vor knapp drei Wochen trafen sich die Abgeordneten zum Fernsehabend. Auf dem Programm stand Red Hot Dutch, ein Hardcore-Pornokanal, der nicht nur in Großbritannien über Satellit empfangen werden kann. Dazu benötigt man allerdings einen Decoder mit gebührenpflichtiger Plastikkarte, die jedoch schon 20.000 BritInnen besitzen. Die übrigen 55 Millionen haben sich darüber aufgeregt. Der britischen Regierung sind die Hände gebunden, weil Satellitenprogramme laut EG-Vorschrift nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen des Empfängerlandes, sondern lediglich des Sendelandes in Einklang stehen müssen – und das ist in diesem Fall Dänemark. Aber die Abgeordneten wollten zumindest sehen, was sie nicht verbieten können. Der Andrang war so groß, daß die Vorführung in einen größeren Tagungsraum verlegt werden mußte. Was danach mit dem Decoder geschah, ist nicht bekannt.

Und wann schaltet Lamont? Böte sich hier nicht ein Weg aus der Rezession? Statt die Tickets zu verschenken, sollte er sie zu gesalzenen Preisen verscherbeln und mit einer Vergnügungssteuer belegen. In den Ecken des Plenarsaales könnte er Séparées einrichten – blauer Vorhang für die Tories, roter Vorhang für Labour. Und Margaret Thatcher... Nein, das ist jetzt wirklich grausig und geht zuweit. Aber nachdem keine seiner wirtschaftspolitischen Maßnahmen gefruchtet hat, gibt Lamont ja vielleicht am Budget-Day im nächsten Monat endlich die Parole aus: bumsen für den Aufschwung.