piwik no script img

■ Zum Streit zwischen Butros Ghali und Sadako OgataWenig Rückgrat

Weithin wurde Sadako Ogata am Wochenende zur „Verliererin“ eines UNO-internen „Machtkampfes“ gestempelt. Zahlreiche Medien spekulierten bereits über ihren baldigen Rücktritt vom Posten der UNO- Flüchtlingshochkommissarin. Die autoritäre und arrogante Art, in der UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali am Freitag abend in New York Ogata vor laufenden Kameras und Mikrophonen in den Rücken gefallen ist, hat zu dieser Wahrnehmung beigetragen. Wenn man sich überhaupt auf die vereinfachende Darstellung einer komplexen Angelegenheit als „Machtkampf“ einlassen will: Der eigentlich Blamierte im Streit um die von Ogata am Mittwoch letzter Woche angeordnete Unterbrechung der UNHCR-Hilfsoperationen für Bosnien-Herzegowina ist Ghali, die eigentliche Siegerin in der Sache die Flüchtlingshochkommissarin. Noch am Donnerstag hatte sich der UNO-Generalsekretär auf einer Pressekonferenz in Tokio voll hinter Ogatas Entscheidung gestellt. Zurück in New York, bekam Ghali Druck von einigen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates. Denn die Hilfslieferungen wurden ja nicht nur von allen drei bosnischen Kriegsparteien aus politischen Gründen behindert. Sie waren angesichts der bislang ergebnislosen Verhandlungen um einen Waffenstillstand und eine politische Lösung auch längst zum Alibi für die internationale Staatengemeinschaft geworden.

Um dieses Alibi nicht vollends zu zerstören, mußte die humanitäre Hilfe aufrechterhalten werden – auch wenn schon seit über einer Woche vor Ogatas Entscheidung kein einziges Hilfsgut mehr bei einem bedürftigen Menschen in Bosnien angekommen war. Die Hilfe zu stoppen war Ogatas „Fehler“. Unter Druck geriet Ghali aber auch durch die UNPROFOR-Generalität, deren militärischer Stolz den zeitweiligen Rückzug vor den bitteren Realitäten in Bosnien nicht zuließ. Daß Ghali dem Druck von verschiedenen Seiten nachgab und die Flüchtlingshochkommissarin öffentlich maßregelte, zeigt nur, wie wenig Rückgrat der UNO-Generalsekretär besitzt.

Was jetzt zählt, ist das Ergebnis. Die bosnische Regierung und die Stadtbehörden von Sarajevo haben die Verteilung von Hilfsgütern an die BewohnerInnen der Hauptstadt wieder zugelassen. Die Serben ließen am Wochenende zumindest einen ersten Konvoi in Ostbosnien durch. Der Sicherheitsrat hat die UNPROFOR in dem neuen Mandat ermächtigt, bei der Durchsetzung der Hilfstransporte massiver vorzugehen als bisher. Und die USA erwägen jetzt ernsthaft den Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft. Es gibt überhaupt keinen Anlaß für Sadako Ogata, zurückzutreten oder Ende dieses Jahres nicht mehr für eine zweite Amtsperiode zu kandidieren. Andreas Zumach, Genf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen