Lukratives Geschäft mit illegalen Fluppen

■ Prozeß gegen acht mutmaßliche Zigarettenschmuggler gibt Einblick in Schwarzmarkt-Strukturen/ Klima immer brutaler

Moabit. Um vier Uhr morgens schnappten die Handschellen in einem Waldstück bei Königs Wusterhausen zu. Mit der Festnahme mehrerer Polen und Vietnamesen sowie der Beschlagnahmung mehrerer Millionen unversteuerter Glimmstengel hatten Polizei und Zoll im vergangenen August den bislang größten Fahndungserfolg in Sachen internationaler Zigarettenschmuggel gelandet. Die Beamten griffen zu, als die heiße Fracht eines polnischen 40-Tonners in dem Wald gerade in zehn Kleintransporter vietnamesischer Zwischenhändler verladen wurde.

Seit gestern müssen sich acht Männer wegen bandenmäßiger Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall vor der 5. Strafkammer des Landgerichts verantworten. Insgesamt geht es um vier LKW-Transporte mit rund 40 Millionen unverzollter Zigaretten in der Zeit zwischen Juni und August 1992. Durch den schwunghaften Schwarzhandel, an dem die Angeklagten unterschiedlich stark mitgewirkt haben sollen, seien rund 7,5 Millionen Mark Steuerverluste entstanden. Die Mehrzahl der Angeklagten im Alter zwischen 24 und 40 Jahren sind Polen, einer davon deutscher Staatsbürger. Die beiden übrigen kommen aus Nordvietnam. Seit ihrer Festnahme im vergangenen Sommer und Herbst sitzen alle in U-Haft. Zu den Beschuldigungen wollte sich gestern keiner von ihnen äußern. Für den Prozeß, der Donnerstag fortgesetzt wird, sind 14 Verhandlungstage anberaumt.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sollen sich die Taten immer nach dem gleichen Muster abgespielt haben. Der Hauptangeklagte Wieslaw R. sei in Hamburg Inhaber der Scheinfirma „Pakt Import Export GmbH“. Über diese Firma soll er bei der BAT Zigarettenfabrik in Hamburg und Bayreuth viermal jeweils rund 10 Millionen „HB“ Glimmstengel für den angeblichen Export nach Polen oder in die Ukraine bestellt haben. Die Bezahlung von rund 250.000 Mark pro Ladung sei bar erfolgt. Statt im Ausland seien die Zigaretten jedoch bei den vietnamesischen Zwischenhändlern gelandet, die die Stangen an die kleinen vietnamesischen Straßenhändler – die letzten Glieder der Kette – weiterverkauft hätten. Um einen ordnungsgemäßen Geschäftsablauf vorzutäuschen, habe die Bande am Grenzübergang Pomellen zwei deutsche Zöllner mit jeweils 10.000 Mark pro Ladung bestochen. Jene hätten auf entsprechenden Dokumenten bestätigt, daß die Zigaretten die Grenze zum Ausland passiert hätten. Die beiden geständigen Ex-Zöllner werden demnächst angeklagt.

Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Walter Neuhaus kostet eine für den osteuropäischen Export bestimmte steuerfreie Stange HB im Großhandel zwischen sechs und neun Mark. Die Endverkaufsspanne der vietnamesischen Straßenhändler liegt nach Informationen der taz zwischen 25 und 35 Mark. Laut Neuhaus verdienen die Straßenhändler pro Stange um die fünf bis sechs Mark. Sie müßten die Waren beim Kauf von den Zwischenhändlern jedoch sofort bar bezahlen. Über die Zahlungsmodalitäten zwischen den Zwischenhändlern und den polnischen Lieferanten gebe es keine Erkenntnisse. Wie berichtet, wird das Klima auf dem schwarzen Markt immer brutaler. Mit Messerstechereien versuchen sich die Banden die Plätze streitig zu machen. Hinzu kommt, daß immer mehr Leute versuchen, von dem lukrativen Geschäft zu profitieren. Die Zahl der Ermittlungsverfahren stieg laut Neuhaus von 2.000 im Jahr 1991 auf 6.000 im vergangenen Jahr. Seit Jahresanfang seien bereits über 1.000 Verfahren anhängig. 1992 wurden zwei Drittel der Verfahren eingestellt, weil jeweils nicht mehr als 2.000 Mark Steuern hinterzogen worden waren. Der Grund laut Neuhaus: Personalmangel. Plutonia Plarre